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Martin Kollar – Field Trip, 2014

Martin Kollar – Field Trip, 2014

Der slowakische Fotograf reiste von 2009 bis 2011 regelmäßig nach Israel. Dort versuchte er, die besondere Stimmung und die angespannte Atmosphäre des Landes in seiner Serie einzufangen, die zwischen surrealem Film Still und tiefer Symbolik angesiedelt ist, doch stets die Wirklichkeit zeigt. Für seine Serie „Field Trip“ erhielt er 2014 den Leica Oskar Barnack Award.

Gleichförmige Häuserblocks, Straßensperren, medizinische Untersuchungen: Die Bilder der Serie erscheinen als rätselhafte, verstörende Einzelbilder. Weder Orte noch Zusammenhänge sind auf ihnen erkennbar. „Wo man sich gerade befindet, soll uneindeutig bleiben. Man rätselt die ganze Zeit – und genau diese Unsicherheit soll auch der Betrachter empfinden“, erläutert Kollar. „Meine Aufnahmen sollen Raum für Interpretationen lassen. Ich versuche, sie mit möglichst vielen Bedeutungen aufzuladen, denn es gibt viele Sichtweisen.“

„Natürlich verbergen sich hinter den Bildern viele Geschichten, die vielleicht sogar interessanter sind als die Bilder selbst. Aber ich meide Erklärungen und Beschriftungen.“

Die Aufnahmen zu „Field Trip“ sind im Rahmen des Projekts „This Place“ entstanden, einem Dossier über Israel und das Westjordanland, an dem Kollar mit elf weiteren Fotografinnen und Fotografen arbeitete. Ziel war es, anhand von individuellen Bilderserien ein vielfältiges Porträt des Landes zu zeichnen und damit die Komplexität einer der wohl umstrittensten Regionen aufzuzeigen. „Ich habe versucht, meinen Blick in die Zukunft zu richten. Ich wollte mich nicht mit der israelischen Vergangenheit beschäftigen. Aber eigentlich habe ich gar keine Absicht verfolgt. Das machte mich frei und erklärt auch den Serientitel ‚Field Trip‘. Mein Aufenthalt ähnelte streckenweise einer geführten Tour.“

Die Zeit in Israel weckte in Kollar Erinnerungen an die eigene Vergangenheit: „Ich erlebte ganz unerwartet intensive Rückblenden in meine Kindheit, Erinnerungen an das Aufwachsen hinter dem Eisernen Vorhang während der ‚Normalisierung‘ der kommunistischen Tschechoslowakei. Unsere Trennmauer hinderte uns am Übertritt, schützte uns vor äußeren Einflüssen und auch vor uns selbst. Die Vertrautheit mit einem streng abgegrenzten Territorium begann sich in meinem Kopf zu verbinden und zu überschneiden. Die Spannung und das Gefühl physischer und psychischer Gefahr hin gen in der Luft – sehr menschliche Emotionen, die nicht ignoriert werden können“, so Kollar. „Nach mehreren kurzen Festnahmen in Israel wurde mir klar, dass ich die Vorstellung, dass ich unter Beobachtung stehe, nicht ablehnen konnte. Die Regierungen erklären das zu ‚Sicherheitsmaßnahmen‘, aber es fiel mir schwer, sie 20 Jahre nach dem Ende des kommunistischen Regimes zu akzeptieren. Irgendwie fand ich mich in meiner psychischen Vergangenheit wieder und beurteilte Situationen mit einem leichten Gefühl der Paranoia.“ Genau diese Empfindungen spiegeln sich in „Field Trip“ wider. Mit seinen Aufnahmen erzielt Kollar eine transparente Darstellung der Situation.

„Keines der Bilder ist inszeniert, alle beruhen auf Beobachtung. Ich stieß auf diese Situationen und wollte sie so festhalten, wie ich sie vorgefunden habe.“

Die Szenen sind ebenso banal wie absurd, komisch wie auch tragisch. Kollar dokumentiert eine seltsame Normalität und zeigt so das von ihm in Israel empfundene Trauma auf.

(Text aktualisiert 2020)

Martin Kollar

Martin Kollar wurde 1971 in Žilina, Slowakei, geboren und studierte an der Akademie der musischen Künste in Bratislava. Als Fotograf arbeitet er vor allem an Langzeitprojekten, ist aber auch als Dokumentarfilmer tätig. „Field Trip“ wurde 2013 als Buch publiziert. Kollar lebt in Bratislava.

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