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Leica Oskar Barnack Award Newcomer 2010: Andy Spyra „Kashmir“

Andy Spyra – Kaschmir, Newcomer 2010

Mit dem Leica Oskar Barnack Award Newcomer, 2010 zum zweiten Mal vergeben, wurde der deutsche Fotograf Andy Spyra für seine in Kaschmir entstandene Reportage ausgezeichnet. Für den Fotografen ist Kaschmir eine der schönsten Landschaften, doch die im Himalaja gelegene Region ist seit Jahrzehnten auch ein Schlachtfeld. Mit seinem subjektiven und teilnehmenden Blick stellt Spyra die Folgen des Konflikts zwischen Indien und Pakistan für die dort lebenden Menschen in den Mittelpunkt seiner Serie.

Die Grenzregion Kaschmir gilt als eine der am stärksten militarisierten Zonen der Welt und leidet seit Jahren unter den Konflikten zwischen Indien und Pakistan, die beide Gebietsansprüche erheben. Eingeengt zwischen zwei Atommächte und Erzfeinde sind es natürlich die Menschen, die unter dem Konflikt am meisten leiden: Frauen werden vergewaltigt und ermordet, Männer verschwinden spurlos oder werden auf einer der unzähligen Demonstrationen gegen die militärische Präsenz in der Region verhaftet. Mehr als 60.000 Opfer hat der Kaschmir-Konflikt bereits gefordert, und die ganze Region ist traumatisiert. Darüber hinaus sind es vor allem auch die Konflikte innerhalb der Bevölkerung, die zusätzlich für Unruhen sorgen.

„Ich kam zum ersten Mal im Frühjahr 2007 nach Kaschmir und verliebte mich einfach in die Region, die Menschen, das Licht und die Atmosphäre dieser abgelegenen Region.“

Statt wie geplant mit dem Motorrad nach Nepal zu fahren, verkaufte er es und nahm einen Zug nach Srinagar, Sommerhauptstadt des indischen Teils von Kaschmir. Seit dem ersten Besuch kehrte er dreimal zurück und blieb jeweils mehrere Wochen. Er lernte das Land kennen, ließ sich bei seinen Besuchen treiben und wurde von den Extremen inspiriert, die Leben und Landschaft prägen.

„Ich behandle fotojournalistische Themen und entferne mich dabei bewusst von den visuellen Grenzen, die mit dieser Art von Berichterstattung verbunden sind.“

Seine Beobachtungen übersetzt Spyra in ein energiereiches Schwarzweiß, das die Aufmerksamkeit des Betrachters auf seine Bildsprache lenkt. Er geht nah an die von ihm porträtierten Personen heran. Seine Motive wirken dramatisch und still zugleich. Er zwingt den Betrachter, genau hinzusehen, auch wenn sich die Situation nicht erklärt. Spyra erklärt diese Vorgehensweise: „Ich habe bereits Tausende von schreienden Jungen und Männern fotografiert. Das ist es, was man hier jeden Tag sieht. So etwas zu fotografieren wird immer langweiliger. Nun versuche ich, einen anderen Ansatz zu finden.“

Seine Intention ist deutlich: Wer die Aufnahmen betrachtet, soll die Situation in Kaschmir nicht nur sehen; er soll sie auch empfinden und mit den Menschen fühlen. So will er ein Bewusstsein für die Auswirkungen der andauernden Krise auf die Bevölkerung schaffen.

(Text aktualisiert 2020)

Interview mit Andy Spyra (2010)

Andy Spyra

Andy Spyra wurde 1984 in Hagen geboren. Nach dem Abitur war er zunächst ein Jahr als freier Fotograf für eine Lokalzeitung in seiner Heimatstadt tätig, bevor er von 2007 bis 2009 Fotografie an der Fachhochschule Hannover studierte. Für seine Fotoprojekte wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet und in zahlreichen Publikationen veröffentlicht. Er lebt in Dortmund.

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