010203040506070809010011012
Leica Oskar Barnack Award Newcomer 2011: Jing Huang „Pure of Sight“

Jing Huang – Pure of Sight, Newcomer 2011

In der traditionellen chinesischen Malerei zählt nicht die detailgenaue Darstellung, sondern es gilt, Emotionen zu erzeugen. Diese Philosophie hat der Newcomer von 2011 auf die Fotografie übertragen. Mit seiner Leica M4-P hat er alltägliche Dinge in poetische Augenblicke verwandelt.

Stimmungsvoll, filigran und zart: So zeigt Jing Huang Bilder des alltäglichen Lebens. Die Fotoserie „Pure of Sight“ ist keinem speziellen Thema gewidmet. Hier finden sich Landschaften ebenso wie Natur- und Detailaufnahmen. Jedes der zwölf Schwarzweißbilder steht für sich und erzählt eine eigene Geschichte. Fast unerkannt lugt da ein Schwein hinter einer Mauer hervor oder zeigen Lotusblätter morbide Risse. Ein Kanarienvogel verstummt unter einer Plastiktüte, eine Verpackung stört die malerische Idylle eines Seeufers. Gedankenverloren blicken Menschen in die Ferne. Der Horizont selbst ist nur zu erahnen.

Jing Huangs Kamera ist bei seinen Streifzügen nicht nur Werkzeug, sie ist eine Verbündete des Fotografen; durch sie kann er seine inneren Empfindungen nach außen tragen. Was auf diese Weise für den Betrachter sichtbar wird, wirkt wie pure Poesie.

„Wenn ich mit meiner Kamera unterwegs bin, folge ich meiner Intuition. Ich finde es besser, etwas auf emotionale Weise einzufangen.“

Seine Motive findet er in seiner unmittelbaren Umgebung: auf dem Weg zur Arbeit, unterwegs mit Freunden oder zu Hause. Und doch hat jedes Foto eine ganz eigene Ausstrahlung. Scheinbar Alltägliches erhält etwas Magisches, das den Betrachter in seinen Bann zieht. Es ist dem jungen Fotografen gelungen, auch den vertrauten und belanglosen Dingen eine Tiefe zu verleihen. Jing Huang sagt über sich selbst, er sei kein guter Schriftsteller und es falle ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Deshalb ist die Kamera für ihn das Auge und die Fotografie sein Medium, um den eigenen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Er teilt sich anhand seiner Bilder mit. In ihnen sieht der Betrachter die Welt mit den Augen des Fotografen. Emotionen sind die Farben, mit denen er gestaltet. Um ihnen adäquaten Ausdruck zu geben, genügt ihm die Palette von Schwarz bis Weiß. Dabei fällt auf: Immer wieder geht es in seinem Schaffen vorrangig nicht um das, was zu sehen ist. Im weiten Feld der Fotografie ein Paradoxon. Sein feines Gespür für Situationen bezieht der Fotograf auch aus seiner Spiritualität. Seine Motive funktionieren als eine Art emotionale Rückkopplung.

„Ich bin Teil der Umwelt: Licht, Wind, Wasser, Steine, Tiere und Menschen. Sie ermöglichen mir, den tiefsten Platz meines Herzens zu erkunden.“

Seine Leica M4-P hat er Immer dabei: „Ich bevorzuge Weitwinkelobjektive und arbeite gern mit kleineren Blenden. Das gibt den Dingen eine lebhafte, kräftige Anmutung. Mit einem Messsucher kann ich gut abschätzen, wie die Objekte in ihrer Anordnung zueinander wirken; er erleichtert das sorgfältige Komponieren mit großer Schärfentiefe. Das ist geradezu magisch.“

(Text aktualisiert 2020)

Interview mit Jing Huang (2015)

Jing Huang

Jing Huang wurde 1987 in Guangzhou, einer Stadt im Süden Chinas mit rund elf Millionen Einwohnern, geboren. Er studierte bis 2010 Fotografie an der Guangzhou Academy of Fine Arts. Derzeit lebt und arbeitet er als Fotograf in Shenzhen.

Zur Website