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Ciril Jazbec - Waiting to Move, Newcomer 2013

Ciril Jazbec – Waiting to Move, Newcomer 2013

Um über die Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben der Iñupiat zu berichten, reiste Ciril Jazbec 2012 nach Shishmaref auf der Insel Sarichef in Alaska. Entstanden ist die eindrucksvolle Dokumentation einer bedrohten Gemeinschaft. Für seine Serie wurde der Fotograf 2013 mit dem Newcomer Award ausgezeichnet.

Shishmaref rückte Anfang des Jahrhunderts ins öffentliche Bewusstsein – als Beispiel für die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels. Aufgrund des steigenden Meeresspiegels und der fortschreitenden Erosion der Küste wird auch Sarichef mittelfristig von der Erdoberfläche verschwinden. Schon jetzt bietet der auftauende Permafrostboden keinen sicheren Halt mehr für viele Häuser, und die traditionelle Jagd wird immer schwieriger.

Als sich die 600 Bewohner der Insel 2002 für eine Umsiedlung des Dorfes aufs Festland aussprachen, wurden sie als die ersten Klimaflüchtlinge bezeichnet. Doch zehn Jahre später, als Jazbec seine Serie fotografierte, war nicht viel passiert. Die Menschen warteten auf die nötige Finanzierung (180 Millionen Dollar), die von der US-Regierung noch nicht bewilligt worden war. „Schlimmer noch: Dadurch, dass sich die Gemeinschaft für den Umzug entschieden hat, wird auch nicht mehr in die Aufrechterhaltung der bestehenden Infrastruktur investiert“, berichtete Jazbec.

Der Fotograf begegnet den Menschen auf seinen Fotos mal mit Distanz, mal mit Nähe. Die Arbeit vor Ort war nicht einfach: „In Shishmaref war es schwierig, viele wollten nicht fotografiert werden. Sie waren reserviert und misstrauisch, weil sie schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht hatten. Daher war es wichtig, dass wir Zeit hatten, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Es hat lange gedauert, bis uns die Menschen in ihre Häuser eingeladen haben,“ so Jazbec.

Starke Kontraste leiten seine dokumentarische Erzählung, die von Kompositionen eines stillen Beobachters und engagierten Fürsprechers gesäumt wird. Leichtfüßige Interaktionen, farbenprächtig und emotionsgeladen, ergänzen intime Porträtaufnahmen. Diese Momente veranschaulichen die vielschichtige soziale Struktur in Shishmaref und die Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne, die sich innerhalb der kleinen Gemeinschaft abspielt. Jazbecs Bilder haben eine zeitlose Bildsprache und beeindrucken visuell und emotional auch außerhalb ihres Entstehungskontexts. Das Besondere an Jazbecs Art zu fotografieren ist jedoch seine Fähigkeit, die Stimmung des Wartens einzufangen und den starken Zusammenhalt der bedrohten Gemeinschaft in seine Erzählung aufzunehmen.

„Ich bin auf der Suche nach Geschichten, die nicht nur die schlimmen Seiten darstellen, sondern die Menschen auch inspirieren können. Ich suche nach positiven Aspekten, versuche auf mögliche Lösungen hinzuweisen. Dinge wie Dankbarkeit, Solidarität, Respekt – das sind Werte, die auch mir Antrieb geben.“

Auch heute hat sich an der dramatischen Situation in Shishmaref nichts geändert: 2016 stimmten die Einwohner erneut mehrheitlich für eine Umsiedlung auf das Festland. Da die Fragen der Finanzierung weiterhin nicht geklärt sind, ist mit einer schnellen Umsetzung nicht zu rechnen.

(Text aktualisiert 2020)

Ciril Jazbec

Ciril Jazbec wurde 1987 in Kranj, Slowenien, geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Management in Ljubljana und Fotojournalismus in London. Seit 2011 arbeitet er als unabhängiger Fotograf. 2013 erhielt er neben dem LOBA Newcomer Award auch eine Auszeichnung bei den Les Rencontres d’Arles für die Serie „On Thin Ice“, mit der er auch den Wettbewerb Magnum 30 unter 30 im Jahr 2015 gewann. 2019 erhielt er ein Stipendium der National Geographic Society, 2020 war er Gewinner der Tokyo International Photography Competition. Jazbec lebt in Ljubljana, Slowenien.

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