010203040506070809010011012
Leica Oskar Barnack Award 2008: Lucia Nimcova „Unofficial“

Lucia Nimcova – Unofficial, 2008

Die Aufnahmen der Gewinnerserie von 2008 entstanden in der Slowakei. Am Beispiel ihrer Heimatstadt dokumentierte die Fotografin den Stillstand, der dort nach dem Fall des kommunistischen Systems vorzuherrschen schien. Denn auch Jahre später wirkten Orte und Menschen unverändert, so als wäre die Zeit unbemerkt an ihnen vorbeigezogen.

Lucia Nimcova hat sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mit dem Leben und der Entwicklung in Osteuropa beschäftigt. Ihre Recherchen führten sie 2006 in die Archive ihrer Heimatstadt Humenné in der Slowakei. Beim Sichten von Dokumenten bemerkte sie, dass sich dort nach dem Ende des Kommunismus und dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union 2004 scheinbar nichts verändert hatte. Sie kehrte zurück zu Orten, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte, und hielt die Faszination einer scheinbar vom Wandel unberührten Zeit fest. Sie traf auf Menschen, die noch dieselben öffentlichen Funktionen ausübten wie Jahre zuvor; Orte und Institutionen sind in der Vergangenheit stehen geblieben und selbst bei Veranstaltungen und politischen Diskussionen ist längst Vergangenes deutlich erkennbar. Alles scheint in einer Zeitschleife erstarrt, an der politische und wirtschaftliche Entwicklungen vorbeiziehen.

„Ich habe viel Zeit damit verbracht, meine eigene visuelle Sprache für das zu finden, was ich in dem Projekt „Unofficial“ kommunizieren wollte. Ich habe gelernt, die Zeitlosigkeit zu genießen, während ich Themen recherchierte, bevor ich dann Bilder machte.“

Genau darin liegt die Faszination ihrer Serie „Unofficial“, die mehr erzählt, als es auf den ersten Blick scheint. Mit einem Augenzwinkern hält die Fotografin Alltägliches fest, bringt den Betrachter zum Schmunzeln und regt zum Nachdenken an. In der Machart sind ihre Aufnahmen den alten Aufnahmen des sozialistischen Realismus angeglichen. Das ist gewollt: Lucia Nimcova arbeitete im Stil von Lichtbildern, die sie in den Archiven von Humenné fand, fotografierte vergleichbare gesellschaftliche Anlässe und setzte die Bilder in Zusammenhang. Scheinbar nahtlos führte Nimcova die Dokumentation lokaler Ereignisse weiter. „Viele Orte hatten sich nicht verändert. Wenn ich einen Raum betrat, wusste ich oft, wie die Materialien mit dem Licht reagierten.“ Die Fotografin hat ein Gespür für die Auflösung der Grenzen zwischen Fotografie als Ereignis und ihrer Funktion als Dokumentation des privaten und offiziellen Lebens. Durch das Drücken des Auslösers und das Treffen einer endgültigen Auswahl fing sie die Augenblicke ein, die beide Sphären enthalten. Dabei entstanden sowohl emotionale als auch scheinbar neutrale Aufnahmen.

„Der LOBA hat meiner Arbeit geholfen, in der fotografischen Gesellschaft mehr Anerkennung zu finden.“

Rückblickend berichtet die Fotografin über die große Anerkennung durch den Leica Oskar Barnack Award: „Ich fühlte mich sehr privilegiert, dass Menschen aus verschiedenen kulturellen Kontexten daran interessiert waren, meine kodierten Botschaften zu lesen und einige Zeit damit verbrachten, sie zu verstehen. Ein schönes Gefühl, nach vielen Jahren der Arbeit mit der Fotografie.“

(Text aktualisiert 2020)

Lucia Nimcova

Lucia Nimcova wurde 1977 geboren und hat an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam studiert. Sie lebt und arbeitet in Humenné und Addis Abeba. Ihre Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet und in zahlreichen Ausstellungen präsentiert.

Zur Website