Interview mit der Fotokritikerin, Redakteurin und Kuratorin Benedetta Donato

Seit 2020, dem Jubiläumsjahr des LOBA, in dem das aktuelle Auswahlverfahren eingeführt wurde, das sich auf die Vorschläge internationaler Fotografieexperten stützt, ist Benedetta Donato in der Gruppe der LOBA-Nominatoren vertreten. Wiederholt wurden die von ihr vorgeschlagenen Serien Teil der LOBA-Shortlist. Auch den LOBA-Gewinner 2024, Davide Monteleone, ermunterte sie, seine Serie einzureichen. In der Reihe der Nominatoreninterviews berichtet sie über ihr Vorgehen, ihre Arbeit und ihre Eindrücke von der LOBA-Preisverleihung in Wetzlar.

Wie sind Sie zum ersten Mal auf Davide Monteleones Serie „Critical Minerals“ aufmerksam geworden?

Ich kenne Davide seit Langem und habe seine Forschungsarbeit immer geschätzt. Das erste Mal nahm ich die Serie „Critical Minerals“ während eines Wettbewerbs wahr, bei dem ich in der Jury saß. Als ich das Projekt sah, dachte ich sofort daran, es für den LOBA zu nominieren, weil ich es für eine der interessantesten, komplexesten und umfassendsten Arbeiten zu diesem Thema hielt.

Was schätzen Sie am meisten an Davide Monteleones Arbeitsweise?

Ich schätze die Entwicklung, die Davide im Laufe der Zeit vollzogen hat, die Fähigkeit, die von ihm untersuchten Phänomene zu verstehen und sie unter verschiedenen Gesichtspunkten zu vertiefen. Ich glaube, „Critical Minerals“ ist das Ergebnis des von ihm lange verfolgten Weges.

Außerdem steht Ihr Vorschlag der Serie Underneath the „Calm Streets of Iran“ von Forough Alaei auf der diesjährigen Shortlist.

Ich kannte die Arbeit von Forough Alaei durch einen amerikanischen Zeitungsartikel und war beeindruckt. Ich nahm Kontakt zu ihr auf, um zu erfahren, ob sie eine neue Serie in Arbeit hatte. Wir haben uns dann über ihre Produktion ausgetauscht und gemeinsam die Serie gefunden, die wir für den LOBA vorschlagen wollten.

Was muss eine Serie mitbringen, um Sie zu überzeugen, sie zu nominieren?

Wenn ich mir ein neues Projekt ansehe, gibt es viele Elemente, die ich in Betracht ziehe. Zum Beispiel die Stimmigkeit der Arbeit mit dem Thema. Ich gebe mich nicht mit der ersten Auswahl zufrieden, die ich erhalte, sondern bitte immer darum, eine größere Auswahl zu sehen, um die Entscheidungen der Fotografin oder des Fotografen zu verstehen. Ich möchte die Geschichte kennen, wie und warum sie oder er sich für dieses Thema entschieden hat. Natürlich achte ich sehr auf die verwendete Bildsprache, die Komposition und die Farbgebung. Aber was mich am meisten interessiert, ist die Hingabe, mit der sich die Fotografin oder der Fotograf dem Thema gewidmet hat; die Zeit, die es brauchte, um die untersuchte Realität wirklich zu verstehen. Wenn alle diese Elemente ausgewogen sind, kann das Projekt nominiert werden.

Wie haben Sie die LOBA-Preisverleihung in Wetzlar erlebt?

Ich war in diesem Jahr zum ersten Mal in Wetzlar, und es war wirklich erstaunlich! Eine magische Atmosphäre voller Emotionen und Begegnungen an Tagen, die ganz der Fotografie gewidmet waren und Verbindungen zwischen den verschiedenen Teilnehmern schaffen sollten: Fotografen, Nominierte, Fachleute. Und ich habe mich gefreut, auch Karin Rehn-Kaufmann persönlich kennenzulernen, denn ich bewundere ihre Professionalität, Leidenschaft und ihre Fähigkeit, alle Mitarbeiter und so viele Menschen aus der ganzen Welt einzubeziehen und ihnen das Gefühl zu geben, Teil einer so wichtigen Sache zu sein.

„Die Umwelt, der Respekt vor ihr und die Art und Weise, sie zu bewahren, unser Überleben – all das ist nicht möglich, wenn wir nicht jeden Aspekt dieser Beziehung verstehen. Ich denke, dass die Fotografie eine der besten Methoden ist, um sich der Situation bewusst zu werden, in der wir jetzt leben, und um die zukünftigen Möglichkeiten unserer Entwicklung zu erkennen.“

Wie schätzen Sie die Bedeutung des LOBA ein, und was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Das Thema der „Beziehung zwischen Mensch und Umwelt“ ist ein komplexes Feld, zu dessen Verständnis der Beitrag der Fotografie erforderlich ist. Themen wie die globale Tragfähigkeit, Migration, Ungleichheiten, der Klimawandel oder Fragen der Nachhaltigkeit können durch die Fotografie erfahrbar und verständlich gemacht werden. Ein weiteres Merkmal, das den LOBA so wichtig macht, ist die Möglichkeit, einen echten Austausch zwischen Fachleuten zu schaffen, der über geografische und kulturelle Grenzen hinausgeht. Es ist ein gegenseitiger Austausch, der dann auch durch Wanderausstellungen in der ganzen Welt einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird. Dieser Austausch schafft ein Bewusstsein für die großen Themen unserer Zeit, und ich wünsche mir eine Fortsetzung und dass die gemeinsame Arbeit von Fotografinnen und Fotografen und uns mehr und mehr unterstützt wird.

Welche Herausforderungen sehen Sie für den Fotojournalismus in den kommenden Jahren?

Die wichtigste Herausforderung ist es, glaubwürdig zu sein. Der Fotojournalismus hat sich sicherlich verändert, die großen Aufträge der Zeitungen gibt es nicht mehr, es gibt Bereiche, in denen Fotojournalistinnen und Fotojournalisten nicht mehr geschützt sind und große Risiken eingehen, heute mehr als in der Vergangenheit. Das Ziel des Fotojournalismus ist es, echte Geschichten sichtbar zu machen, denn wir brauchen dringend die Realität, um all den Ereignissen und Gegenden eine Stimme zu geben, über die noch nicht berichtet wurde oder von denen wir noch eine zu unvollständige Vorstellung haben.

Welche Motivation treibt Sie weiterhin an?

Was mich heute fasziniert, ist die Suche nach neuen Wegen, Geschichten zu erzählen, sich nicht auf ein einziges Bild zu beschränken, sondern eine Realität zu vertiefen und verschiedene Themen zu wählen, wobei neue Medien und noch nie dagewesene Wege genutzt werden, wie zum Beispiel die kollektive und gemeinschaftliche Arbeit mit anderen Fachleuten in verschiedenen Teilen der Welt. Die Welt des Fotojournalismus kann heute auf Institutionen zählen, die Projekte durch Preise, Stipendien und viele andere Instrumente zur Unterstützung ihrer Arbeit fördern. Und nicht zuletzt ist es der kontinuierliche Austausch mit Fachleuten in diesem Bereich, den ich schätze.

Benedetta Donato

Die Fotokritikerin, Redakteurin und Kuratorin wurde in Rom geboren und lebt heute in Italien und Frankreich. Sie hat einen Abschluss in Umweltsoziologie von der Sapienza-Universität Rom und widmete sich anschließend dem Studium der Fotografie. Sie beschäftigt sich mit Ausstellungs- und Publikationsprojekten im Bereich der visuellen Kultur und arbeitet mit verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen zusammen.

Donato ist Direktorin des Romano Cagnoni Award – International Photojournalism Award und Vorstandsmitglied der Romano Cagnoni Foundation. Sie ist eine sehr gefragte Portfolio-Reviewerin, Jurymitglied bei internationalen Veranstaltungen und gehört zu den Nominatoren des Leica Oskar Barnack Awards. Seit 2015 ist sie Redakteurin beim Magazin Il Fotografo. Sie ist Mitglied der GRIN – National Iconographic Editors Group.

Porträt Benedetta Donato: © T. C.