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Patrick Willocq: „Songs Of The Walés”

Buchvorstellung, Patrick Willocq „Songs Of The Walés“

Beim Leica Oskar Barnack Award 2017 war Patrick Willocq mit seiner Serie „You cannot pick a stone with one finger“ einer der auffälligsten Finalisten. Doch bereits 2014 war der französische Fotograf LOBA-Finalist mit einer vergleichbar ungewöhnlichen Serie, die jetzt in erweiterter Form auch als Buch wieder zu entdecken ist.

Mit der Bildserie „Songs of the Walés“ wird der Betrachter mitten in die farbenprächtige Kulissenwelt eines afrikanischen Dschungels hineingeworfen. Im Zentrum stehen die ritualisierten Feiern der Walé. So werden junge Frauen vom Pygmäen-Stamm der Ekonda in der Demokratischen Republik Kongo bezeichnet, die zum ersten Mal Mutter werden. Ein ganz besonderer Lebensabschnitt, der hier aufwendig zelebriert wird: die Walé (stillende Mütter) leben – getrennt von ihrem Ehemann – für mehrere Jahre in Abgeschiedenheit mit ihren Kindern, umsorgt von weiblichen Stammesmitgliedern. Bei der Rückkehr in die Stammesgemeinschaft berichten die Walé dann von ihren Erfahrungen in Liedern und Tänzen, die sie, eingerieben mit rotem Puder aus Ngola-Holz, in einer feierlichen Aufführung präsentieren.

Willocq ist ein Kenner des afrikanischen Kontinents, allein sieben Jahre hat er in der Republik Kongo gelebt. Als er auf diese besonderen Feiern aufmerksam wurde, hatte er die Idee in enger Zusammenarbeit mit einigen Walé, ihren Clans, einem Ethno-Musikologen, einem Künstler und zahlreichen Kunsthandwerkern der Region aufwendige Szenenbilder zu bauen und ließ sich hierbei von den Gesängen der Mütter der Ekonda inspirieren. Mit überbordender Fantasie, aber auch mit Respekt und Empathie hat sich der Fotograf seinem Thema genähert. Die Bilder berichten von den Erlebnissen der Walé, von ihren Ängsten, aber auch von Wünschen und Träumen. „Seit einigen Jahren übersetze ich die Lieder der Walé in Bilder, so nah wie möglich anhand der Erfahrungen dieser jungen Mütter. Sie sind Schauspielerinnen, die vollständig in meinen Prozess involviert sind, und so versuche ich, die Geheimnisse dieses enorm symbolischen Ritus der Passage zu durchbrechen“, so Willocq.

„Seit einigen Jahren übersetze ich die Lieder der Walé in Bilder, so nah wie möglich anhand der Erfahrungen dieser jungen Mütter. Sie sind Schauspielerinnen, die vollständig in meinen Prozess involviert sind, und so versuche ich, die Geheimnisse dieses enorm symbolischen Ritus der Passage zu durchbrechen“

Der Bildband zeigt die zwischen 2013 und 2015 entstandenen Serien „I Am Walé“, „Respect Me“ und „Forever Walé“. Die zum Teil erstmals präsentierten Motive sind bis ins letzte Detail inszeniert, die überlebensgroßen Kulissen prächtig konstruiert und erscheinen dabei oft surreal verfremdet, geben aber umso mehr Einblick in eine ansonsten verschlossene Welt. Gezeigt werden in dem Buch nicht nur die Ergebnisse der Inszenierungen, sondern auch Aufnahmen des Szenenaufbaus; Zeichnungen und Pläne sind eingefügt, um den Entstehungsprozess nachvollziehbar werden zu lassen. Ein Clou sind darüber hinaus die gedruckten QR-Codes zu den einzelnen Szenen, mit denen die jeweiligen Lieder abgerufen werden können, die als Inspirationsquelle für die Bilder dienten. Medienübergreifend kann so aus dem Sehvergnügen auch ein Klangerlebnis werden. Das Ergebnis ist beeindruckend und man versteht die Begeisterung des Fotografen und seines Teams für die Umsetzung der ungewöhnlichen Idee, die zur künstlerischen Transformation der Walé-Rituale führte. Ein ebenso wichtiges Ziel ist es für Willocq allerdings auch, den in den Medien meist verbreiteten Kriegsbildern der Region, ein anderes, deutlich positiveres Bild entgegenzusetzen.

PATRICK WILLOCQ: SONGS OF THE WALÉS
(Texte von Martin Boilo Mbula, Laurence Butet-Roch, Alain Mingam, Azu Nwagbogu und Patrick Willocq), 208 Seiten, 178 Farbabbildungen und 20 Zeichnungen, 15,5 x 23 cm, englisch, Kehrer Verlag

Patrick Willocq

Patrick Willocq (*1969) lebt und arbeitet in Paris, Hongkong und Kinshasa. Mehr als 35 Jahre hat Willocq in verschiedenen Ländern außerhalb Frankreichs verbracht. Seit 2009 arbeitet der Autodidakt als Fotograf und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen und Nominierungen, darunter der Discovery Award der Rencontres d’Arles, die Shortlist des Leica Oskar Barnack Award, die Sony World Photo Awards und den Prix Coup de Coeur HSBC for Photography. Seine Bilder wurden vielfach international ausgestellt; gemeinsam mit Florent de La Tullaye hat er den Dokumentarfilm Le Chant des Walés für France 5 produziert.