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Jeff Share – Cottonwood Pass – Friedensmarsch für weltweite nukleare Abrüstung, 1987

Jeff Share – Cottonwood Pass – Friedensmarsch für weltweite nukleare Abrüstung, 1987

Für seine engagierte Reportage über den Friedensmarsch, der 1986 fast neun Monate lang quer durch die USA zog, wurde der US-amerikanische Fotojournalist Jeff Share als achter Preisträger in der Geschichte des Leica Oskar Barnack Awards ausgezeichnet. Er hatte den Marsch über Monate begleitet und so aus nächster Nähe und persönlicher Erfahrung den Zug der Aktivisten, ihre Stimmung und die äußeren Umstände in seinen Bildern dokumentiert.

Rund 3700 Meilen lagen vor den rund 500 Teilnehmern des Friedensmarschs, als sie am 1. März 1986 in Los Angeles, Kalifornien, starteten. Unter ihnen der junge Bildjournalist Jeff Share: „Ich war sehr beeindruckt von dem Engagement der Menschen, die marschierten. Sie hatten freiwillig beschlossen, alles andere aufzugeben und sich diesem Protestmarsch für neun Monate ihres Lebens anzuschließen. Auch ich glaubte an die Notwendigkeit, die Atomwaffen loszuwerden, und fühlte mich verpflichtet, meine Arbeit bei der ‚Los Angeles Times‘ aufzugeben, um diesen Friedensmarsch zu dokumentieren.“ Ein mutiger Entschluss, denn Share verließ nicht nur seine reguläre freiberufliche Tätigkeit, sondern musste zunächst auf eigene Ersparnisse zurückgreifen, um die Ausgaben vorzufinanzieren. Denn anfangs waren nur wenige Menschen und Nachrichtenkanäle an der Geschichte und den Bildern von Share interessiert. Erst langsam änderte sich die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch die Arbeit des Fotografen, der seinen Weg immer wieder unterbrach und nach New York flog, um dort Redakteure von der Wichtigkeit der Geschichte zu überzeugen. „Nachdem ich den Marsch etwa sechs Monate lang fotografiert hatte, gab es endlich ein gewisses Interesse an der Geschichte. Das ‚People Magazine‘ war die erste nationale Publikation, die sich ernsthaft für meine Fotos interessierte; sie veröffentlichten einen elfseitigen Foto-Essay. Es war ein schöner Auftakt, der andere Nachrichtenorganisationen dazu ermutigte, Geschichten über den Marsch zu publizieren.“

„Den LOBA und den ersten Platz in der Kategorie Foto-Essay bei World Press Photo zu gewinnen, war wunderbar. Es hat mir und meiner Arbeit mehr Anerkennung und Glaubwürdigkeit bei den Fotojournalisten verschafft.“

In Zeiten des sogenannten Kalten Krieges nahm die Aufrüstung, insbesondere mit nuklearen Waffen weltweit weiter zu. Gleichzeitig wuchs in den 1980er-Jahren das Bewusstsein und das Engagement, sich gegen das atomare Wettrüsten und für eine weltweite Abrüstung einzusetzen. Neben zahlreichen Demonstrationen mit Hunderttausenden von Teilnehmern, gab es Langzeitaktionen, darunter eben auch die des Great Peace March for Global Nuclear Disarmament, Inc., der insbesondere für die USA von besonderer Bedeutung sein sollte.  Nach neun Monaten quer durch die USA erreichte am 15. November 1986 die Gruppe ihr Ziel, die Hauptstadt Washington.

„Es war eine beeindruckende Erfahrung, jeden Tag mit einer Gemeinschaft von 500 Menschen zusammen zu sein, die sich so engagiert für ein einziges Thema einsetzten. Während des Marsches gab es zwar Probleme und Konflikte, aber insgesamt lag der Schwerpunkt auf sozialer Gerechtigkeit und einem tiefen Engagement, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“

Auch für den Fotografen war der Marsch eine besondere Erfahrung, an die er sich heute rückblickend noch lebhaft erinnert: „Es gibt so viele Erinnerungen. Während der neun Monate, in denen ich den Friedensmarsch fotografierte, war ich am meisten von der Liebe und Hingabe bewegt, die diese Menschen in ihrem täglichen Handeln und in ihren Beziehungen zueinander bewiesen haben. Ich stehe immer noch mit einigen der Demonstranten in Kontakt. Viele protestieren noch immer und setzen sich für soziale Gerechtigkeit mit vielen verschiedenen Anliegen ein.“

Auch in der Folgezeit standen soziale Themen im Mittelpunkt seiner Arbeit. Seinen letzten umfassenden Essay widmete Share Kindern in Armut: „Das war ein weiteres selbstfinanziertes Projekt, das ich in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren erarbeitete. Mehrere Jahre lang habe ich Straßenkinder in Mexiko, Guatemala, Costa Rica, Ecuador, Brasilien und Kenia fotografiert.“ Auch wenn Share danach beruflich vom Bildjournalismus in die Lehre wechselte, blieb er seinen sozialen Überzeugungen und seiner gesellschaftlichen Verantwortung treu, eindrücklich belegen nicht zuletzt die Vielzahl seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen sein Engagement.

(Text verfasst 2020)

„Jeder ist heute Fotograf, daher gilt mein Rat sowohl für professionelle Fotojournalisten als auch für alle anderen, die die Kamera in ihrem Mobiltelefon benutzen. Wir müssen die Macht der Fotografie erkennen, um etwas zu bewirken und die Welt zu verbessern.“

Jeff Share

Jeff Share wurde in den 1960er-Jahren geboren und war zehn Jahre lang als freier Fotojournalist tätig, bevor er seine Karriere als Dozent fortsetzte. Er arbeitete als Grundschullehrer, Lehrplangestalter und Ausbilder. Er promovierte an der Graduate School of Education and Information Studies der University of California in Los Angeles. Dort arbeitet er derzeit als Fakultätsberater für das Lehrerausbildungsprogramm, wobei die Vermittlung kritischer Medienkompetenz zu seinen wichtigsten Themen zählt.

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Porträt: © Michael Dressler