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Finalist 2016: Esther Teichmann „Mondschwimmen“

Finalist 2016: Esther Teichmann

Eine sinnliche Reflexion über Heimweh und Verlust: Mit ihrem Zyklus „Mondschwimmen“ führt Esther Teichmann den Betrachter in eine melancholische Traumwelt, komponiert aus autobiografischen und fiktionalen Elementen.

Ein Bad, nackt, in einem nächtlichen See – für Esther Teichmann zugleich die beängstigende Aussicht auf ewiges Einswerden mit der Dunkelheit und ein Moment intensivsten Glücks. Die Arbeit in der Dunkelkammer – nicht nur konstitutiv für den Qualitätsanspruch der Künstlerin, sondern auch symbolträchtige Praxis: Umfangen von rotem Licht, in Einsamkeit und Stille, schaut man dem magischen Prozess zu, wie im Entwicklungsbad eine latente Spur der Vergangenheit langsam manifest wird, scheinbar real, aber doch als Illusion.

Teichmann ist aufgewachsen mit Malerei, was man ihren Kompositionen ansieht, doch im Kontext ihrer Themen fasziniert sie am meisten die Fotografie und ihr eigentümliches Verhältnis zur Wirklichkeit: Die Fotografie suggeriert eine Realität des Abgebildeten, das aber doch nie mehr greifbar, sondern nur ein Schatten der Erinnerung ist. Und dennoch eine Präsenz entfalten kann, die das Foto selbst zum Objekt des Begehrens werden lassen kann. Es spiegelt dem Betrachter vor, dass der festgehaltene Moment in seiner Gegenwart verfügbar ist, und trotzdem ahnt er, dass diese Aneignung zum Scheitern verurteilt ist.

Sehnsucht und Verlust sind Teichmanns autobiografisch grundierte Themen, und dunkle Gewässer sind darin ein zentrales Element.

Teichmann fotografiert in Settings, die verweisen auf eine fiktionale Sehnsuchtslandschaft, meist Menschen, die ihr sehr nahe stehen. Deren Körper symbolisieren den Trost, den eine Berührung spenden kann; andererseits wenden sich ihre Protagonisten vom Betrachter ab, und wenn sie es nicht tun, dann ist ihr Blick abgewandt – als Hinweis auf nicht hintergehbare Grenzen der Annäherung an einen Menschen: Wir werden nie erfahren, wie sich unsere Mutter fühlte, bevor es uns gab. Und wir werden nie beim Betrachten einer Fotografie die vergangene Gegenwart zurückholen können. „Mondschwimmen“ ist Esther Teichmanns gleichnishafte fotografische Annäherung an dieses Zugleich von Begehren und Vergeblichkeit.

Esther Teichmann

Esther Teichmann, geboren 1980 in Karlsruhe, lebt seit ihrem 18. Lebensjahr in London und promovierte dort am Royal College of Art. Unter anderem als Senior Lecturer am London College of Communication tätig, kombiniert sie in ihrer künstlerischen Arbeit Fotografie, Malerei, Collage, Text und Video. Das Verhältnis von Verlangen und Verlust zu erforschen ist ein immer wiederkehrendes Motiv ihres Werks, das sie bereits in diversen internationalen Einzelausstellungen präsentiert hat.