Finalist 2016: Stéphane Lavoué
Im nordöstlichen Winkel des US-Bundesstaates Vermont, an der Grenze zu Kanada, liegt ein ganz besonderes Königreich. Die herbe landschaftliche Schönheit, aber vor allem die Bewohner des North East Kingdom sind das Thema der in vielen Jahren entstandenen Serie des französischen Fotografen. Derzeit ist er nur schwer zu erreichen, denn er ist wieder unterwegs.
Q: Herr Lavoué, wo sind Sie gerade?
A: Zur Zeit durchquere ich die Vereinigten Staaten mit einem Caravan, von Los Angeles bis zum North East Kingdom, in dem ich wieder ein paar Wochen bleiben werde, um neue Kontakte für die Jagdsaison im späten Oktober zu verabreden, voller Hoffnung, dann endlich den Herrscher des North East Kingdom zu finden.
Q: Seit wann kennen Sie das North East Kingdom?
A: Die Geschichte begann eigentlich schon vor über 25 Jahren. Ich war 14 Jahre alt, reiste zum ersten Mal durch die USA und wohnte in der Nähe von Boston bei einer Gastfamilie. Wir blieben in Kontakt, auch als meine damaligen Gasteltern sich vor sieben Jahren in Vermont zur Ruhe setzen. Meine erste Reise war 2010, seitdem bin ich regelmäßig dort.
Q: Was war ihr erster Eindruck?
A: Als ich dort ankam, war ich überrascht, diese Gegend zu entdecken, die als Königreich bezeichnet wird. Die Region ist wirtschaftlich schwach. Es gibt keine Industrie mehr, wenig Geschäftsmöglichkeiten. Aber die dort lebenden Menschen lieben das North East Kingdom aufgrund der rauen Natur und der Abgeschiedenheit.
„Ein seltsamer Ort, ein merkwürdiges Königreich: ein hübscher Teenager eingekeilt von Fleisch. Als ich das Bild aufnahm, dachte ich, mich mitten in einem sonderbaren Märchen zu befinden.“
Q: Wie leben die Menschen in dieser Gegend?
A: Viele Menschen müssen dort autark sein, sie bauen ihr eigenes Gemüse an, gehen jagen, sie heizen mit Holz. Viele junge Leute finden dort ihren Weg „zurück zu den Wurzeln“: Sie verlassen die Städte, kaufen sich alte Holzhäuser und beginnen einen Hof zu bewirtschaften. Es ist ein hartes Leben, gerade die Winter sind lang und sehr kalt.
Q: Aber in ihren Bildern haben sie magische Momente und ungewöhnliche Porträts eingefangen. Wird es irgendwann auch ein Buch geben?
A: Ja, nach einigen Ausstellungen soll nun im nächsten Jahr auch ein Buch beim Verlag Editions 77 erscheinen.
Stéphane Lavoué
Stéphane Lavoué wurde 1976 im französischen Mülhausen geboren. Er absolvierte zunächst ein Ingenieurstudium mit der Fachrichtung Holztechnik und lebte für zwei Jahre im brasilianischen Amazonien. 2001 Rückkehr nach Frankreich und Beginn seiner Karriere als Fotograf. Er lebt in Paris und arbeitet für viele nationale und internationale Magazine und ist insbesondere für seine außergewöhnlichen Porträts bekannt. Die Serie über das North East Kingdom fotografierte er mit der Leica M240, einem 35er- und 50er-Summilux sowie einem älteren 28er-Summicron.