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Tadas Kazakevicius: „Soon to be Gone“

Finalist 2019: Tadas Kazakevičius

Während er in Großbritannien lebte, sah Tadas Kazakevičius seine Heimat Litauen mit anderen Augen. Aus dieser Perspektive entsteht die Serie „Soon to be Gone“, in der er einen Bogen von der Landflucht in Litauen in die Zeit der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre in den USA schlägt.

Wie kamen Sie auf die Idee für die Serie „Soon to be Gone“?
Das erste Mal kam ich auf die Idee, als ich für etwa fünf Jahre in Großbritannien lebte. Dort habe ich Litauen mit den Augen eines Fremden gesehen. Das ländliche Litauen kam mir vor wie eine Zeitmaschine, die mich direkt in die USA während der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre befördert. Diese Zeitreise wollte ich unbedingt machen. Ich besuchte einige Dörfer. Später kam mir die Idee, dass die Landflucht in Litauen der Binnenmigration der Farmer aus den „Dust Bowl“-Staaten im mittleren Westen nach Kalifornien während der Krise ähnelt. Ich glaubte, dass ich ein Archiv über das Landleben in Litauen erstellen müsste. Wie damals die Fotografen der Farm Security Administration. Das ist die einfachste Erklärung. Aber bald stieg eine Sentimentalität aus meiner Kindheit in mir hoch, und ich merkte, dass mich etwas ganz anderes antrieb: die Fotografie in den Vereinigten Staaten.

„Fotografieren ist für mich der großartigste Moment überhaupt.“

Was sehen Sie als größte Herausforderung in der Fotografie an?
Fotografieren ist für mich der großartigste und schönste Moment überhaupt. Also stellt mich die Fotografie nicht wirklich vor Herausforderungen, außer wenn es darum geht, den thematischen Überbau zu finden. Es ist schwierig, eine klare Vorstellung von dem zu haben, was man realisieren möchte. Ich bin Dokumentarfotograf, daher passiert es selten, dass ich Fotos ohne einen inhaltlichen Zusammenhang mache.

Was bedeutet der Begriff „Heimat“ für Sie?
Heimat ist für mich der Ort, an dem ich mich irgendwie vollständiger fühle. Obwohl es ja heißt, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns grüner sei – für mich ist das Gras dort am grünsten, wo ich jetzt bin. Zu Hause kann man der perfekte Geschichtenerzähler sein. Vor allem, wenn man eine Zeit lang weg war und die Dinge mit den Augen eines Fremden sieht.

Tadas Kazakevičius

Der Fotograf, 1984 in Šiauliai, Litauen, geboren, schloss 2007 sein Architekturstudium mit dem Bachelor ab. Anschließend zog er nach Hatch End im Norden Londons und war als Grafiker tätig. Als Fotograf ist er Autodidakt. Seine Arbeiten waren in nationalen und internationalen Ausstellungen sowie auf Fotofestivals zu sehen. Seit 2012 lebt Kazakevičius in Litauens Hauptstadt Vilnius (Wilna).

Porträt: © Kestutis Zilionis