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Ingmar Björn Nolting – About the Days Ahead

Ingmar Björn Nolting – About the Days Ahead

Keine drei Jahre sind vergangen, und doch scheinen die Bilder von einer anderen, in der Erinnerung bereits merkwürdig verschwommenen Zeit zu erzählen. Umso mehr versichern die Motive heute, dass sich der Frühling 2023 anders anfühlt als die Zeit der großen gesellschaftlichen, politischen und emotionalen Verunsicherungen, die vor drei Jahren durch die Pandemie ausgelöst wurden.

Statt sich der allgemeinen Lähmung auszusetzen, entschied sich Ingmar Björn Nolting zu handeln: Als der erste Lockdown am 18. März 2020 verkündet wurde, beschloss der Fotograf, der kurz zuvor sein Fotografiestudium in Dortmund abgeschlossen hatte und nach Leipzig gezogen war, loszufahren. Sein Roadtrip quer durch Deutschland sollte ihn, immer unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und über die Zeitspanne von einem Jahr, rund 25 000 Kilometer durch Deutschland führen. Während dieser ungewöhnlichen Reisen fotografierte Nolting ein umfassendes Dokument des Lebens in Zeiten des globalen Krisenzustands.

„Fotografie war für mich immer eine Art zu denken, zu verstehen und mich in Beziehung zu setzen – eine Art Begegnung. Mit meiner Reise wollte ich mich der neuen Realität stellen.“

Die 2021 in die LOBA-Shortlist aufgenommene und bereits vielfach präsentierte Serie liegt nun als komplexer Bildband vor. Die 58 Aufnahmen korrespondieren in ihrer fahlen Farbigkeit mit der damaligen Stimmung und geben vielfältige Einblicke in die Folgen der Pandemie. Zum Teil sind es sehr persönliche Erfahrungen des Fotografen, wenn er seinen Vater, seine Großmutter, seine Tante oder Freunde mit der Kamera begleitete. Insgesamt bildet die Serie allerdings eine große Bandbreite der Krise ab.

Nolting beschreibt das Fotoprojekt als Konfrontationstherapie, als seinen Umgang mit der Ohnmacht und der Angst, die die Pandemie zu Beginn in ihm auslöste. Seine Aufnahmen sind still, distanziert, manchmal auch melancholisch. Mit reduzierter Farbigkeit und klaren Kompositionen fotografierte er Momente, die über den Schrecken der Pandemie hinaus vom gesellschaftlichen Umgang mit ihr und der Absurdität des Alltags erzählen. Im Zusammenspiel der einzelnen Aufnahmen entsteht ein komplexes Mosaik, eine Erzählung über eine sich verändernde Gesellschaft. Sein Fotoprojekt „About the Days Ahead“ wird auch zukünftig sehr emotional an die Zeit der Pandemie erinnern und als besonderes Dokument von der deutschen Gesellschaft zwischen kollektiver Isolation, Angst, Verzweiflung und der Sehnsucht nach einer improvisierten Normalität berichten.

Ingmar Björn Nolting

Ingmar Björn Nolting, Jahrgang 1995, studierte Fotografie an der Fachhochschule in Dortmund. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Langzeit-Fotoessays, die sich, wie in „Hinter Fassaden“ (2016–2019), „The Dream of the Poets“ (2019–2020), „Road of Kolyma“ (2020) und „About the Days Ahead“ (2020)" zu sehen ist, mit Fragen der sozialen, geografischen und geopolitischen Isolation beschäftigen. Publikationen u. a. im „Time Magazine“, „ZEIT Magazin“, in „GEO“, dem „Guardian“, „Stern“, in „Brand eins“, „SZ Familie“, der „NZZ“ und auf „Spiegel Online“. Er ist Gründungsmitglied des DOCKS Collective für humanistische Fotografie. Nolting lebt und arbeitet in Leipzig. 2021 war er mit „About the Days Ahead“ auf der LOBA-Shortlist; und als Mitglied des DOCKS Collective war er 2022 mit der Serie „The Flood in Western Germany“ erneut auf der LOBA-Shortlist.

About the Days Ahead, Ingmar Björn Nolting, 128 Seiten, 58 Farbabbildungen, 22,5 × 30 cm, Deutsch / Englisch, Kettler

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Porträt: © Cihan Cakmak