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Mustafah Abdulaziz – Water, 2019

Mustafah Abdulaziz – Water, 2019

In seinem epischen Langzeitprojekt „Water“ arbeitet sich Mustafah Abdulaziz, Gewinner des Leica Oskar Barnack Awards 2019, an seinem Verständnis von Fotografie ab: ein universelles Thema in einem signifikanten Eindruck zu verdichten, um auf diese Weise die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt zu verdeutlichen.

„Dieses Projekt ist mein Weg, die Welt zu erkunden“, fasst der Fotograf die Intention hinter seiner Serie „Water“ zusammen, die er seit mehr als acht Jahren in allen Teilen der Welt immer wieder erweitert hat. Er lotet in ihr sein persönliches Ethos aus und spiegelt an ihr, welchen Abstand er zu einem Sujet halten will. Mit „Water“ will er in symbolisch verdichteten Einzelbildern darstellen, wie Wasser jeden Aspekt der menschlichen Existenz berührt – sei es als lebensnotwendiges Element, als Teil religiöser Zeremonien, als Basis von Handelsrouten oder als Mittel zur Begrünung von Freizeiteinrichtungen. Was auf seinen Bildern erscheint, ist die Quintessenz dessen, was als Metathema über dem Projekt steht: „‚Water‘ ist ein Langzeitprojekt darüber, wie Menschen mit der Natur interagieren und was das für unsere Zivilisation und unsere Zukunft bedeutet.“

„Ich mache diese Arbeit nicht nur, weil sie mir große Erfüllung bringt, sondern weil sie notwendig ist. ‚Water‘ ist mein Weg, die Welt zu erkunden, auf relevante und verantwortungsvolle Weise teilzuhaben und einem überwältigend großen, aber immens wichtigen Thema Bedeutung zu verleihen.“

Abdzulaziz’ visueller Ansatz für seinen Foto-Essay ist sowohl naturalistisch-dokumentarisch als auch metaphorisch. Alle Motive der Serie zeigen: ohne Wasser kein Leben. Mal wirken sie plakativ, wie der grüne Golfplatz mitten in der kalifornischen Wüste oder die Hochschwangere auf dem Weg zum Wasserholen in Afrika, wo es für die Frauen oft eine Tagesreise bedeutet, an Wasser für die Familie zu kommen. Andere Bilder erfordern komplizierte gedankliche Ableitungen: Drei badende Jungen sind für den Fotografen ein Symbol für Lungenatmer, die im Lauf der Evolution aus Kiemenatmern hervorgingen. Oder das Modell einer Brücke in China: Es wurde zu Propagandazwecken zur Verherrlichung eines gigantischen neuen Bauprojekts mit Blumen geschmückt – und wirkt am Ende doch nur wie Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg.

„Fotografien haben von Natur aus das Potenzial, schön zu sein, damit bin ich vorsichtig“, erklärt Abdulaziz: „Es muss mit etwas anderem in Einklang gebracht werden, was den Inhalt und den Aufbau angeht, sonst glaube ich nicht daran, und wenn ich nicht daran glaube, kann ich das auch nicht vom Betrachter erwarten. Für die Bilder in ‚Water‘ bedeutet das, dass ich jeden Teil meiner visuellen Herangehensweise immer wieder neu evaluiere. Es muss einen kontinuierlichen und organischen Entdeckungsprozess ergeben. Dieser muss manchmal scheitern, weil dieses Scheitern während des Experimentierens meine Befreiung ist; sie eröffnet mir neue Wege, die ich sonst nie beschreiten würde.“

Auch technisch hat sich der Fotograf mit dem Projekt einer Herausforderung gestellt: Er fotografiert analog auf Film. „Der Prozess der Reduktion ist Teil des Spiels. Die analoge Fotografie ähnelt einem Pokerspiel. Man kann Fehler machen, man muss auf Risiko spielen, sonst gibt es nichts zu gewinnen“, lautet seine Begründung. Der größte Gewinn ist Reflexion und in logischer Folge Erkenntnis. Abdulaziz legt unseren Umgang mit der Ressource Wasser offen. Mit seinen Bildern will er nicht dokumentieren, sondern menschliches Verhalten kommentieren. So lässt sich ablesen, welche Ziele wir verfolgen, was wir ihnen unterordnen und dafür in Kauf nehmen.

(Text aktualisiert 2020)

Mustafah Abdulaziz

Mustafah Abdulaziz wurde 1986 in New York geboren, er ist als Fotograf Autodidakt. 2011 zog er nach Berlin, nachdem er als erster Vertragsfotograf für das „Wall Street Journal“ gearbeitet hatte. Seine Arbeiten wurden bereits international ausgestellt. Er ist derzeit Stipendiat der Alicia Patterson Stiftung. Sein langjähriges Projekt „Water“, an dem er seit mehr als acht Jahren arbeitet, wurde von den Vereinten Nationen, WaterAid, dem WWF, VSCO und Google unterstützt.

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Porträt: © Philip Montgomery