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Stéphane Lavoué: „On the Edge of the World”

Finalist 2018: Stéphane Lavoué

In über drei Jahren hat Stéphane Lavoué in der Gegend um seinen Wohnort Guilvinec in der Bretagne ein Mosaik aus Landschaften, Porträts und Detailmotiven zusammengetragen. Mit der Serie „On the Edge of the World“ hat er einen Bilderkosmos geschaffen, der sein Empfinden des Lebens und der Traditionen in diesem windumtosten Landstrich illustriert.

In der Serie „On the Edge of the World“ erzählt Stéphane Lavoué vom Meer, von den Arbeitsplätzen, die es schafft, den Kulissen, die es bietet, oder wie es seine bedrohliche Macht ausspielt. Er zeigt eine raue Landschaft in poetischem Gewand. Schauplatz ist die Küste der Bretagne im Département Finistère, das der Serie ihren Namen gab (finis terrae, Ende der Welt). So impressionistisch in den Aufnahmen die Details verschwimmen, so surreal erscheinen die Menschen in ihren absurd wirkenden Trachten und Kluften. Man muss wissen, dass Lavoués Wohnort Guilvinec vom Fischfang geprägt ist, der Hafen dort ist einer der wichtigsten Fischereihäfen der Bretagne. Das Dorf ist kein Touristenziel, man bleibt unter sich.

„Ich versuche, mein eigenes fiktionales Reich zu erschaffen, das auf wahren Geschichten beruht.“

Um die Ortschaften herum grasen Pferde von der Rasse der Bretonen, die angeblich vor über 4000 Jahren die Kelten mitbrachten. Die Arbeitstiere landen oft im Kochtopf, denn die salzigen Wiesen schmecken nicht nur den Tieren, sondern ihr Fleisch auch Feinschmeckern. In folkloristischen Refugien überdauern die Trachten der Bigouden. Die Frauen tragen stolz aufragende, absurd hohe Hauben aus besticktem weißem Stoff die auf Französisch Coiffe Bigoudène heißen. Die Stofftürme auf den Köpfen sind angeblich Ausdruck eines stummen Protests gegen die willkürliche Verfolgung der Aufständischen nach der sogenannten Stempelpapierrevolte 1675 gegen die königliche Besteuerung. Ludwig XIV. ließ als Strafe unter anderem zahlreiche Kirchtürme im Bigoudenland niederreißen.

Lavoué hat seinen Heimatort auf seine Weise interpretiert. „On the Edge of the World“ ist ein visueller Ausleger in eine surreal und entrückt anmutende Welt, in ein eigenes fiktionales Reich.

Stéphane Lavoué

Geboren 1976 in Mulhouse, Frankreich. Lavoué war zunächst als Ingenieur für Holzbau im brasilianischen Amazonasgebiet tätig und fotografierte nur sporadisch. Die Bilder von Sebastião Salgado inspirierten ihn dazu, die Fotografie zum Beruf zu machen. 2001 besuchte er Kurse an der Fotografieschule Centre Iris in Paris und arbeitete anschließend für die nationale und internationale Presse. Seine Arbeiten waren auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen.

Porträt: © Stanislas Alleaume