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Lindokuhle Sobekwa – Daleside

Lindokuhle Sobekwa – Daleside

Der südafrikanische Fotograf erkundet mit seiner Kamera die Gemeinde Daleside südlich von Johannesburg. Mit dem gleichnamigen Projekt hinterfragt er seine Erinnerung und Wahrnehmung, indem er die Häuser in der Gegend auch von innen fotografiert, was ihm in der Zeit der Apartheid nicht möglich gewesen wäre. Seine Bilder dokumentieren den Wandel des ehemals ausschließlich von Weißen bewohnten Viertels.

Lindokuhle Sobekwa fotografiert aus einer für seine Heimat Südafrika charakteristischen Motivation heraus, mit der er selbst seine Herangehensweise beschreibt: „Ich verbringe gern Zeit mit Menschen, um meine Protagonisten kennenzulernen. So kann ich mich den Fotografierten auf eine gemeinschaftliche, einfühlsame Weise nähern. Das ist für mich der Geist von Ubuntu, frei übersetzt bedeutet das: ,Ich bin, weil wir sindʻ.“ Als Teenager nahm er an dem Fotoworkshop-Programm von „Of Soul and Joy“ teil, einer 2012 gegründeten sozialen und künstlerischen Initiative in seiner Township Thokoza mit rund 110.000 Einwohnern, gelegen im südlichen Einzugsgebiet von Johannesburg.

In der Nähe, aber scheinbar Welten entfernt, liegt die Gemeinde Daleside. Hier lebten früher neben einigen Farmern viele Ingenieure und Minenarbeiter mit ihren Familien in Einfamilienhäusern, umgeben von gemähtem, grünem englischen Rasen und hohen, meist bewehrten Grundstückszäunen. In diesem ehemals ausschließlich von Weißen bewohnten Viertel arbeitete seine Mutter als Hausangestellte. Während sie drinnen schuftete, wartete Sobekwa draußen am Straßenrand. Dort versuchte er sich vorzustellen, was sich wohl hinter den verschlossenen Türen befand. Mehr als ein Jahrzehnt später kehrte er als Fotograf nach Daleside zurück.

„Ich muss eine Beziehung und Vertrauen zu den Menschen aufbauen, die ich fotografiere.“

Sobekwa stellte fest, dass sich Daleside in den letzten zehn Jahren sehr verändert und nicht mehr viel mit dem Fantasie-Ort aus Kindertagen gemein hatte. Farmen waren zerstört, die Bergbauindustrie weitergezogen. Viele damalige Bewohner verließen die Gemeinde, Schwarze besetzten die leerstehenden Häuser. Mittlerweile beträgt das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen etwa 50 zu 50. Wie so oft in Südafrika leiden viele unter schwierigen ökonomischen Verhältnissen und fehlendem sozialem Gemeinschaftsgefühl. Paare mit schwarzen und weißen Partnern gibt es nicht. Für Sobekwa war es nicht einfach, seinem Realitätsabgleich nachzugehen. Immer wieder stieß er auf Schwierigkeiten, seit er 2015 mit dem Projekt „Daleside“ begann: „Die Leute verwechselten mich immer noch mit einem Gartenarbeiter.“ Auch seine Kamera erzeugte Skepsis. „Es besteht ein erhöhtes Misstrauen wegen der Tötung weißer Farmer. Sie dachten, ich könnte ein Krimineller sein.“

Durch viele Gespräche und behutsames Kennenlernen gelang es Sobekwa, die privaten Räume zu erobern. Er stellt fest, dass sich das heutige Daleside und seine Township Thokoza durch sozialen Austausch nur noch marginal voneinander unterscheiden: Sich verschärfende Einkommensunterschiede und wirtschaftliche Stagnation einen die Ortschaften mehr, als dass sie sie trennen. „Für mich ist es wichtig, mit den Menschen, die ich fotografiere, in Kontakt zu kommen. Manchmal hatte ich das Gefühl, keine Verbindung zu ihnen zu haben. Ich glaube, es lag daran, dass ich immer wieder daran erinnert wurde, dort nicht hinzugehören, obwohl ich aufgrund der Ähnlichkeiten, die ich zwischen unseren Gemeinschaften wahrnehme, genau das fühlte.“

Lindokuhle Sobekwa

Sobekwa, 1995 in Katlehong, Johannesburg, geboren, kam 2012 durch das Fotoprogramm in Thokoza, seiner Heimat-Township im Südosten von Johannesburg, zur Fotografie. Im Jahr 2015 erhielt er ein Stipendium für die Market Photo School. 2017 wurde Sobekwa von der Magnum Foundation for Photography and Social Justice gefördert, um sein Projekt „I Carry Her Photo With Me“ zu realisieren. Im Jahr 2018 erhielt er den Magnum Foundation Fund, um sein Langzeitprojekt „Nyaope“ fortzusetzen, und wurde Magnum-Nominee.

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Porträt: © Refilwe Mrwebi