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Tom Hegen – Coal Mining Germany

Tom Hegen – Coal Mining Germany

Die Serie des deutschen Luftbildfotografen entstand im letzten Jahr über den größten Braunkohlerevieren im Osten Deutschlands. Hegens Aufnahmen zeigen die Verwüstungen der Landschaft aus großer Höhe in überraschender Schönheit, leuchtenden Farben und spannender Symmetrie. Aus dieser Perspektive werden die verheerenden Folgen für die Landschaft sowie das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt umso eindrücklicher sichtbar.

Kohle wird in Deutschland seit Hunderten von Jahren gefördert, doch die Zeiten haben sich hierzulande geändert; das Ende des Kohleabbaus ist politisch bereits beschlossen. 2018 wurde die letzte deutsche Steinkohlenzeche geschlossen, und auch mit dem Braunkohleabbau soll um 2030 in Deutschland endgültig Schluss sein. Doch noch fräsen sich täglich riesige Schaufelradbagger im Tagebau durch die Landschaft, zerstören Natur- und Kulturlandschaften, Wälder, Dörfer – ganze Gemeinden müssen umgesiedelt werden. Die Kohle liefert nur scheinbar billigen Strom; würde man den hohen Preis in Form des vernarbten Landes und alle Folgekosten real bilanzieren, böte sich ein anderes Bild. Wie radikal der Eingriff des Menschen in die Natur ist und welche Spuren er hinterlässt, reflektiert der Fotograf Tom Hegen in betörender Weise: Er zeigt die Welt aus der Vogelperspektive und entwickelt in seiner Luftbildserie ungeahnte Blicke auf die Industrielandschaften. Die Schönheit, die er in Form von Symmetrien, strahlenden Farbmustern und bewussten Abstraktionen aus den Braunkohlerevieren herauspräpariert, lässt den Betrachter erstaunen. Mit dem Perspektivwechsel werden die gewaltigen Eingriffe umso deutlicher; seine Bilder rufen Nachdenken und vielleicht sogar Demut hervor.

„Ich sehe mich selbst als einen Fotografen mit einem dokumentarischen aber auch künstlerisch abstrakten Ansatz.“

Seit vielen Jahren hat sich Hegen auf die Luftbildfotografie spezialisiert. Um am Ende die perfekten Aufnahmen fotografieren zu können, bedarf es eines enormen Aufwands: „Als Luftbildfotograf bin ich oft auf Helikopter- oder Flugzeugpiloten angewiesen, die mich an die entsprechenden Orte bringen und für die richtige Perspektive sorgen“, berichtet Hegen. „Hinzu kommen Wetterabhängigkeiten, Tageszeiten und Flugeinschränkungen. Eine Luftbildserie erfordert daher einen relativ hohen Planungsaufwand – das eigentliche Fotografieren umfasst nur einen Bruchteil der Zeit.“ In wenigen Stunden entstehen Hunderte von Aufnahmen. „Meine Flugzeit ist begrenzt, und aus einem Flugobjekt in rund 700 Metern Höhe einen exakten Bildaufbau zu gestalten ist eine spezielle Herausforderung. Ich möchte sicherstellen, dass ich von jedem Motiv ausreichend Aufnahmen habe, bei denen die Komposition und Umsetzung gelungen ist. In der Nachbereitung werden die Aufnahmen in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt und zu Serien von etwa zehn bis zwanzig Bildern zusammengestellt.“ Dabei ist es dem Fotografen wichtig, dass jede einzelne Fotografie für sich stehen kann, aber auch im Kontext der Serie funktioniert.

„Mit meiner Serie auf der Shortlist des Leica Oskar Barnack Newcomer Awards zu stehen ist eine tolle Anerkennung des Projekts und meiner Arbeit. Auszeichnungen wie diese motivieren mich, an meiner Vision festzuhalten.“

Mit seinem speziellen Blick, einer Art kunstvoller Ästhetik der Zerstörung, gelingt es ihm immer wieder, den Betrachter über das Handeln und die Verantwortung des Menschen nachdenken zu lassen. Aus der Höhe schafft er eine Übersicht, aus der dann vielleicht auch die Einsicht erwächst, die Welt für morgen zu erhalten. „Ich möchte mit meinen Aufnahmen ein Bewusstsein für den starken Einfluss des Menschen auf die Umwelt schaffen“, so Hegen. „Angesichts der gewaltigen Dimensionen, die diese Eingriffe annehmen, sollte sich jedoch jeder einzelne die Frage stellen, ob der Lauf der Dinge als ‚naturgegeben‘ hingenommen werden kann oder ob es mehr Verantwortungsbewusstsein und einen Weg zu einer nachhaltigeren Entwicklung benötigt.“

Tom Hegen

Tom Hegen wurde 1991 im bayerischen Königsbrunn geboren, studierte Kommunikations- und Grafikdesign in Augsburg und Konstanz. Nach einer Tätigkeit in einer Münchner Designagentur arbeitet er seit 2017 als freier Fotograf und hat sich als Luftbildfotograf auf Umweltthemen spezialisiert. Seine Arbeiten wurden bereits mit zahlreichen renommierten Kreativpreisen ausgezeichnet. Seiner ersten Buchveröffentlichung „Habitat“ von 2018 folgte im letzten Jahr das Buch „Aerial Observations on Airports“. Hegen lebt in München.

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