Interview mit Alessia Glaviano, Brand Visual Director Vogue Italia

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des renommierten Leica Oskar Barnack Award startet die Leica Camera AG ein neues, auf Nominierungen beruhendes Verfahren für den Wettbewerb. Daran nehmen 70 bekannte Fotoexperten teil, bestimmen die Finalisten und schließlich die Gewinner auf der Grundlage ihrer Nominierungen. In den kommenden Monaten werden wir einige Experten vorstellen und sie zu ihren Ideen und ihrem Engagement befragen. Mit Alessia Glaviano, Brand Visual Director der „Vogue Italia“, haben wir als erstem Mitglied der Nominierungsjury gesprochen.

Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht der Leica Oskar Barnack Award (LOBA) im Vergleich zu anderen Fotopreisen?

Der LOBA ist definitiv einer der renommiertesten Preise für Fotografie. Es ist unglaublich, auf seine Geschichte zurückzublicken, denn es ist mit Blick auf die ausgezeichneten Talente auch ein Blick auf die Geschichte der Fotografie. Ich habe heute mit Preisen Probleme, die nicht den Hintergrund des Fotografen berücksichtigen, also mit Preisen, die nur an die Bilder vergeben werden, ohne zu wissen, wer diese Bilder gemacht hat und was hinter den Geschichten steckt. Oder wie der Werdegang eines Fotografen seine Vision beeinflusst hat, welche Vorlieben und Neigungen er hat etc. Ich weiß, dass es manchmal schwierig ist, die Regeln für einige sehr wichtige Auszeichnungen zu ändern, aber wenn sich die Welt ändert, sollten sich auch diese Regeln ändern.

Ich habe das Gefühl, der LOBA differenziert sich mit seinem Verfahren, hier wird die Geschichte der Fotografen und ihrer Motivation bewertet und das ist so wichtig!

Welchen internationalen Ruf hatte der LOBA Ihrer Meinung nach in der Vergangenheit und wie sollte seine Zukunft aussehen?

Ich denke, der Ruf ist hervorragend. Sicher können wir alle unsere Arbeit verbessern und vielleicht sollte man sich mehr auf unterrepräsentierte Themen und Fotografen konzentrieren. Die Welt erkennt endlich, wie wichtig es ist, die Vielfalt zu schätzen und deshalb denke ich, dass auch Auszeichnungen das widerspiegeln sollten.

Können Sie uns einen Einblick geben, wie Sie bei der Auswahl Ihrer Vorschläge für den LOBA vorgehen werden?

Tatsächlich werde ich hart daran arbeiten, denn wenn ich eine Verpflichtung eingehe, dann ist es mir sehr ernst damit! Was mich leitet, ist etwas, das im Zentrum all meiner Arbeit steht: die gemeinsame Basis zwischen Ethik und Ästhetik und die feste Überzeugung – wie ich in der vorherigen Antwort sagte – dass es viele unglaubliche Fotografen gibt, die nicht in die Kategorie „weißer, heterosexueller Mann“ fallen, deren Arbeit endlich die verdiente Aufmerksamkeit erhalten sollte.

„Die Welt erkennt endlich, wie wichtig es ist, die Vielfalt zu schätzen und deshalb denke ich, dass auch Auszeichnungen das widerspiegeln sollten.“

Welche Vorteile sehen Sie in einer Vorauswahl durch internationale Experten?

Ich denke, hier passt ein Zitat meines Freundes Fred Ritchin: „Wir brauchen Kuratoren, die den Überfluss stärker filtern, als dass wir neue Legionen von Fotografen brauchen“, um die Like-Kultur nicht vorherrschen zu lassen. Wir können die zunehmende Bedeutung redaktioneller Arbeit nicht genug betonen, die Klarheit bringt und Erfahrung und Professionalität nutzt, um das Authentische und das Echte vom Rest zu trennen.

Was würden Sie jungen Fotografen raten, um für Unterstützung sichtbar zu werden?

Sei hartnäckig, arbeite an Projekten, die für dich wichtig sind, denke beim Editieren daran, wofür du auswählst: für eine Website, für Social Media, für Instagram, für ein Buch, für eine Ausstellung? Denn deine Auswahl sollte sich jeweils ändern, jede Plattform hat andere Regeln und vergiss nicht, dass wir in der Aufmerksamkeitsökonomie leben! Die Leute bekommen nach 0,05 Sekunden ein visuelles Gefühl dafür, was sie sich anschauen!

Zum Schluss noch eine Frage zur fotografischen Zukunft: Haben Sie Hoffnungen und Wünsche?

Immer bewusster und ethischer zu werden.

Vielen Dank und viel Erfolg für Ihre Juryarbeit.

Alessia Glaviano

Brand Visual Director der „Vogue Italia“ und Direktorin des Photo Vogue Festivals

Sie wurde in Palermo geboren und lebt jetzt in Mailand. Sie hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Bocconi-Universität in Mailand, hat sich aber schon immer leidenschaftlich für die Fotografie interessiert. Neben der Redaktion einer Interviewreihe mit Meistern der Fotografie für die Website der „Vogue Italia“ ist Glaviano auch für die „Photo Vogue“ verantwortlich, eine innovative Plattform, auf der Benutzer ihre eigenen Fotografien austauschen können. Im Jahr 2016 leitete sie die erste Ausgabe des Photo Vogue Festivals. Neben ihrer redaktionellen Tätigkeit hält Glaviano regelmäßig Vorträge und leitet Konferenzen.