Interview mit der Kuratorin und Journalistin Yasemin Elçi

In wenigen Tagen ist es so weit: Die Shortlist des LOBA 2021 wird veröffentlicht. Alle Kandidaten der Hauptkategorie und des Newcomer Awards werden darüber hinaus in den nächsten Monaten auf der LOBA-Website näher vorgestellt.
Die Juryauswahl wurde auf der Grundlage der Vorschläge von rund 100 Nominatoren getroffen. In unserer Reihe der Nominatoren-Interviews berichtet heute die Kuratorin und Journalistin Yasemin Elçi über ihre Ideen und Erfahrungen.

Sie haben die Leica Galerie Istanbul geleitet – welche Rolle oder Beziehung haben Sie darüber hinaus zu Leica?

Meine Beziehung zu Leica begann, als ich an der Universität war. Mein Fotografieprofessor am Dartmouth College in den USA, Brian Miller, ermutigte mich, einen Kunstfonds für meine bevorstehende Fotografieausstellung zu beantragen, und ich schaffte es, ihn zu bekommen. Mit dem Zuschuss kaufte ich eine Leica-Kamera und deckte die Produktionskosten für meine erste Ausstellung, die auf dem Collegecampus stattfand. Meine Kamera von 2006 habe ich immer noch, es ist eine Leica D-Lux 2, aber ich hatte auch eine analoge Kamera. Ich habe also seit dem Beginn meiner fotografischen Reise eine emotionale Bindung an die Marke. Daher war ich sehr glücklich, die Leica Galerie Istanbul seit ihrem Start zu kuratieren. Zwischen 2016 und 2019 habe ich es sehr genossen, mit internationalen Fotografen zu arbeiten und mit anderen Leica Galerien auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten.

Können Sie uns einen Einblick geben, wie Sie bei der Auswahl der Vorschläge für den LOBA vorgegangen sind, insbesondere aus Ihrer Perspektive als freie Kuratorin?

Ich habe Künstler ausgewählt, die eine einzigartige visuelle Sprache schaffen und gleichzeitig eine übersehene oder unterrepräsentierte Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive erzählen können. Ich habe auch darauf geachtet, eine vielfältige Auswahl in Bezug auf Geschlecht und Geografie zu präsentieren. Jeder Fotograf ist in einem anderen Teil der Welt beheimatet und beschäftigt sich mit drängenden Themen in seiner Umgebung, die ihn auch persönlich betreffen.

„Ich würde mir wünschen, dass der LOBA zu einer internationalen Ausstellung wird, die in verschiedene Galerien und Institutionen auf der ganzen Welt reist, um das Leica-Netzwerk zu erweitern.“

Was würden Sie jungen Fotografen raten, um für Unterstützung sichtbar zu werden?

Ich würde ihnen raten, sich auf ihre künstlerischen Aussagen genauso zu konzentrieren wie auf ihre Bildsprache. Das Schreiben ist ein wirkungsvolles Mittel, um verstreute Gedanken zu sammeln und sie auf sinnvolle Weise zu ordnen; nicht nur, damit andere sie lesen können, sondern auch, damit die Künstler sich selbst besser kennenlernen. Durch diesen Prozess können sie sich sowohl kurz- als auch langfristige Ziele setzen und die Zusammenhänge mit Namen aus der Kunstgeschichte klären, die sie möglicherweise beeinflusst haben. Ich denke, junge Fotografen sollten nicht nur Themen verfolgen, die mit Fotografie zu tun haben, sondern auch kontinuierlich Ausstellungen und Publikationen in anderen Disziplinen wie Malerei, Bildhauerei oder Videoarbeiten erkunden. Langfristig können sie von einem multidisziplinären visuellen Archiv profitieren, das sie in ihrem Kopf sammeln, und sie können selbstbewusstere Schritte machen, um für sie unbekannte Territorien zu erkunden. Sie sollten auch proaktiv auf Kuratoren, Künstler und Galeristen zugehen, mit denen sie gern zusammenarbeiten würden. Schließlich sollten sie sich nicht scheuen, Feedback von Leuten einzuholen, deren Meinung sie schätzen, aber ich denke, sie sollten die endgültigen Entscheidungen immer auf der Grundlage ihres eigenen Urteilsvermögens und Instinkts treffen.

Könnten Sie uns bitte sagen, wie Sie sich den LOBA für die Zukunft wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass der LOBA zu einer internationalen Ausstellung wird, die in verschiedene Galerien und Institutionen auf der ganzen Welt reist, um das Leica-Netzwerk zu erweitern, mit verschiedenen Zielgruppen in Kontakt zu treten und Werke von unterschiedlichen Künstlern zu zeigen.

Ist Ihnen in letzter Zeit eine fotografische Initiative, ein Buchprojekt oder eine Künstlergruppe aufgefallen, die Sie gern hervorheben würden?

Vor der Pandemie habe ich angefangen, die Everyday Projects (www.everydayprojects.org) genauer zu verfolgen. Es ist eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, lokale Stimmen zu entdecken und eine gleichberechtigtere Struktur des Geschichtenerzählens zu schaffen. Ihr wachsendes Netzwerk globaler Gemeinschaften setzt sich dafür ein, Stereotypen und falsche Vorstellungen herauszufordern und sie durch mehrdimensionale und inklusive Bildsprachen zu ersetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Yasemin Elçi

Nach ihrem Abschluss am Dartmouth College (New Hampshire, USA) war Yasemin Elçi in Kunstgalerien in Istanbul tätig. In der Galerie x-ist arbeitete sie sieben Jahre lang mit zeitgenössischen türkischen Künstlern. Von 2016 bis 2019 kuratierte und leitete sie die Leica Gallery Istanbul, in der sie Werke von international anerkannten Fotografen und aufstrebenden Künstlern aus verschiedenen Ländern ausstellte. Derzeit lebt sie zwischen Luxemburg und Istanbul und arbeitet als freiberufliche Journalistin und Kuratorin.