Interview mit Steven V-L Lee, Fotograf und Gründungsdirektor der Kuala Lumpur International Photoawards (KLPA)

2020 kann der renommierte Leica Oskar Barnack Award sein 40-jähriges Jubiläum feiern. Aus diesem Anlass hat die Leica Camera AG das Procedere geändert. 70 bekannte Fotoexperten nominieren die Fotografinnen und Fotografen, die am Wettbewerb teilnehmen, bestimmen die Finalisten und schließlich die Gewinner auf Grundlage ihrer Nominierungen. Zum Nominator-Kreis gehört Steven V-L Lee, Fotograf und Gründungsdirektor der Kuala Lumpur International Photoawards (KLPA).

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach der Leica Oskar Barnack Award im Vergleich zu anderen Fotopreisen?

Obwohl ich glaube, dass der Preis eine bedeutende Auszeichnung im globalen Kontext ist, denke ich, dass er noch immer zu wenig bekannt und in der Fotocommunity unterrepräsentiert ist, insbesondere im asiatischen oder südostasiatischen Raum. Das Besondere ist ja die Geschichte des Preises, der von einem weltbekannten Hersteller unterstützt wird, der sich nicht von Markttrends beeinflussen lässt.

Können Sie uns einen Einblick geben, wie Sie bei der Auswahl Ihrer Vorschläge für den LOBA vorgehen werden?

Zuerst schaue ich mir die LOBA-Gewinner der letzten Jahre an und dann die Werke mir bekannter Fotografen, die sich insbesondere für neue und innovative Arbeiten und Stile interessieren, aber deren Arbeiten dem, was zuletzt ausgezeichnet wurde, nicht zu ähnlich oder gar wiederholend sind. Ich glaube, dass sich der LOBA, sofern er nicht ein bestimmtes Genre oder eine bestimmte thematische Integrität zu schützen hat, immer auch für andere Kunstformen öffnen kann – also auch für konzeptuelle oder Fine-Art-Fotografie, die einen sozialen Aspekt haben.

Welche Vorteile sehen Sie in einer Vorauswahl durch internationale Experten?

Das Procedere ermöglicht sicherlich eine größere Vielfalt bei den Nominierten. Allerdings ist sie meiner Meinung nach noch immer sehr wenig repräsentativ für globale Vielfalt und Themen. Außerdem sollte es eine stärkere Nord-Süd-Vertretung der Nominierten auch aus Lateinamerika und Afrika geben.

„Das Besondere ist ja die Geschichte des Preises, der von einem weltbekannten Hersteller unterstützt wird, der sich nicht von Markttrends beeinflussen lässt.“

Was würden Sie jungen Fotografen raten, um sichtbar zu werden und Unterstützung zu erhalten?

Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass südostasiatische Fotografen stets eine ordentliche Website erstellen, die sie gut repräsentiert und die einigen wenigen Strecken mit verwandten Arbeiten vorbehalten bleibt. Sie sollten auch Festivals besuchen, um ihre Werke zu präsentieren, und sich natürlich an Wettbewerben beteiligen, die ein gutes Profil und einen guten Ruf haben. Sie sollten auch an Workshops teilnehmen und sich so weit wie möglich vernetzen, um in einer Branche mit starker Konkurrenz sichtbar zu werden. Soziale Medien sind gut, aber die meisten Menschen neigen dazu, alles zu posten und nichts für ihre Websites zurückzubehalten. 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Fotomarkt?

Ich denke, dass Fotografen heute noch härter um die Aufmerksamkeit von Bildredakteuren und um den jeweiligen Sektor des Printmarkts, in dem sie veröffentlicht werden wollen, konkurrieren müssen. Sie müssen sich proaktiv nach vorne bringen und über die notwendigen Fähigkeiten verfügen – schreiben, editieren, produzieren und Videos drehen –um ihre Attraktivität zu steigern und zu erweitern. Ich denke jedoch, dass es immer noch einen starken und anspruchsvollen Markt für die traditionellen Geschichtenerzähler gibt, und vielleicht werden die Preisträger und Finalisten besser auf dem Markt sichtbar sein und jede Gelegenheit, die sich ihnen bietet, nutzen.

Welche Wünsche und Hoffnungen haben Sie für die Fotografie der Zukunft?

Ich sage gern, dass die Ausbildung in der Fotografie wichtig ist, aber damit meine ich nicht unbedingt die formale Ausbildung mit Kursen und Abschlüssen, sondern dass sie der breiten Öffentlichkeit zugänglicher gemacht werden sollte, damit sie den Prozess und die Geschichte hinter den Bildern zu versteht und den Inhalt höher schätzt. Ich hoffe zudem, dass die sozial engagierte Fotografie dazu beitragen kann, dass die Gesellschaft in einer zunehmend gespaltenen Welt mehr Akzeptanz und Toleranz füreinander aufbringt.

Vielen Dank und viel Glück für Ihre Nominierungsarbeit.

Steven V-L Lee

Steven V-L Lee ist der Gründungsdirektor des Kuala Lumpur International Photoawards (KLPA), der seit 2009 die besten zeitgenössischen Porträtfotografen würdigt. Er leitet über die Exposure+ Fotomentoring-Plattform in Kuala Lumpur Workshops mit anderen Fotografen, ist Jurymitglied internationaler Wettbewerbe und regelmäßiger Portfolio Reviewer. Er lebt und arbeitet in London und Kuala Lumpur.