010203040506070809010011012013014015016017018019020
Valentin Goppel – Between the Years

Valentin Goppel – Between the Years

Junge Erwachsene in Zeiten von Corona: Der deutsche Fotograf spürt in seiner Serie den Auswirkungen der Pandemie auf seine Generation nach. Auch er musste das plötzliche Wegbrechen von Gewohnheiten erleben und sich mit einem Gefühl von Unsicherheit arrangieren, das alle Pläne und die Zukunft bestimmen sollte. Corona erschien dabei wie ein Katalysator für eine fortschreitende Desorientierung. Goppels Aufnahmen berichten von der eigenartigen Verlorenheit einer ganzen Generation.

Neueste Studien belegen, dass die Generation junger Menschen immer mehr ihren optimistischen Blick in die Zukunft verliert. Waren früher die Jahre nach dem Erreichen der Volljährigkeit von Aufbruch, wilden Hoffnungen und dem Austesten von gesellschaftlichen Grenzen geprägt, so trübt sich die Stimmung derzeit immer weiter ein. Angst vor der Zukunft – die fatalen Folgen des Klimawandels belasten den Blick in die Zukunft seit geraumer Zeit. Der russische Angriff auf die Ukraine bringt derzeit zusätzlich gewohnte Sicherheiten ins Wanken. Aber vor allem sind es die zermürbenden letzten zwei Jahre, in denen die Coronapandemie alle Aktivitäten überlagerte, die zu eher pessimistischen Erwartungen an die Zukunft führten.

In seiner Serie „Between the Years“ blickt Valentin Goppel aus eigener Betroffenheit auf seine Freunde und Bekannten, um Bilder zu schaffen, die das Gefühl einer ganzen Generation in Zeiten von Corona abbilden können.

„Ich habe versucht, meiner Generation ein Gesicht zu geben und zu zeigen, wie wir uns in den letzten zwei Jahren gefühlt haben.“

Sein subjektiver Ansatz war ihm von Anfang an klar: „Ich habe Zweifel an den Möglichkeiten der Fotografie, objektiv zu sein. In dem Wissen, dass meine Wahrnehmung sehr subjektiv ist und ich dem Anspruch, eine Arbeit zu fotografieren, die allgemeingültig die Erfahrungen einer ganzen Generation festhält, unmöglich gerecht werden kann, habe ich mich irgendwann von diesem Anspruch gelöst. Das Projekt wurde schnell subjektiver; vor allem ist die Arbeit inzwischen ein Weg, meine eigenen Gefühle der letzten Jahre zu verarbeiten. Glücklicherweise erkennen sich hier viele Leute wieder.“

„Wenn ich einer objektiven Wahrheit nicht gerecht werden kann, dann doch vielleicht der subjektiven Wahrheit. Und so habe ich am Ende versucht, meine eigene Wahrnehmung der letzten Jahre in Bilder zu fassen, mit allen Mitteln, die sich mir vor der Kamera bieten.“

Mit den persönlichen Erfahrungen war die fotografische Arbeit für Goppel ein guter Ansatz, die eigene Passivität zu überwinden, denn mit der Fotografie hatte er ein Werkzeug, seine Gedanken und Ängste besser zu verstehen und für das Gefühl der Verlorenheit Bilder zu finden. Ganz praktisch führte ihn das Projekt aus der eigenen Isolation: „Ich machte Fotos von Bekannten und Bekannten von Bekannten. Großteils waren es aber die Menschen, die ich monatelang vermisst hatte. Ich zog teilweise in deren Wohngemeinschaften ein, fotografierte sie beim Abhängen oder auch beim Mittagessen mit den Eltern. Oft war ich mehrere Wochen unterwegs und ging danach selbst in Quarantäne“, berichtet der Fotograf: „Gerade zu Beginn der Pandemie machte ich viele Fotografien von der unausweichlichen Nähe, die das Zuhausesein mit sich brachte. Viele bekamen keine Luft mehr, einige Freunde waren zu ihren Eltern zurückgezogen, zurück aus der gerade eben neu gewonnenen Freiheit, denn in den WGs wurde es oft zu eng – nicht zuletzt auch durch das viele Alleinsein.“

Seit Silvester 2020 hat der Fotograf die Serie an unterschiedlichen Orten in Deutschland fotografiert. Der entscheidende Impuls kam durch eine Anfrage der Wochenzeitung „Die Zeit“, die den Fotografen darum bat, ein Projekt über die deutsche Jugend in Zeiten von Corona zu erarbeiten. Seine Arbeiten changieren zwischen Beobachtung und Inszenierung; genauen Erläuterungen oder Verortungen entzieht sich Goppel und lässt allein die Motive sprechen. Mit genauem, sensiblem Blick hat er seismografische Motive gefunden, die schon heute als Zeitdokument gelesen werden können.

Valentin Goppel

Valentin Goppel wurde 2000 in Regensburg geboren. Schon als Teenager begann er mit der Fotografie. Seit September 2019 studiert er Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover. Erste Aufträge und Veröffentlichungen, u. a. im „Spiegel“ und der „Die Zeit“. Derzeit arbeitet er an seinem ersten Fotobuch über das Gefühl der Jugend.

Zur Website

Porträt: © Alex Wohn