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Wiktoria Wojciechowska – Short Flashes, Newcomer 2015

Wiktoria Wojciechowska – Short Flashes, Newcomer 2015

Vorbei, vorüber und verschwunden: Wiktoria Wojciechowska hat chinesische Zweiradfahrer auf ihrem Weg durch den Dauerregen fotografiert. Ihre schnappschussartigen Aufnahmen erzählen von der Wahrheit eines unverstellten Augenblicks. 2015 erhielt die polnische Fotografin für ihre Serie „Short Flashes“ den Newcomer Award.

Es sind flüchtige Momente des chinesischen Alltags, die von der Fotografin unmittelbar festgehalten wurden. Das Projekt entstand 2013 und 2014 während ihrer Künstlerresidenzen in Hangzhou und Peking. Allein und zunächst ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache erkundete die junge Fotografin ihre neue Umgebung, ohne sich irgendjemandem mitteilen zu können. Allerdings war Taifun-Saison, die Straßen vom endlosen Regen überflutet. Oft selbst knöcheltief im Wasser stehend, fühlte sie sich den namenlosen Fahrrad- und Rollerfahrern, die an ihr vorbeirauschten, in dieser Anonymität verbunden. Daraus entstand die Idee, ihnen ein Gesicht zu geben. Die wenigsten der Porträtierten haben die Fotografin bemerkt: „Die Meisten haben sich viel zu sehr auf die Straße und das schlechte Wetter konzentriert. Manche haben gelächelt, ein paar kamen zu mir und fragten nach dem Grund der Aufnahme. Da ich mittlerweile recht gut Chinesisch gelernt hatte, konnte ich ihnen nach ein paar Wochen mein Vorhaben sogar erklären.“

Ihre Bilder erzählen von der Wahrheit eines unverstellten Augenblicks. Denn im Gegensatz zu gestellten, kontrollierten Porträts zeigt sich in diesen spontanen Aufnahmen das Echte zwischen den antrainierten Verhaltensmustern. „Der Titel bezieht sich auf das Buch ‚Traktat o łuskaniu fasoli‘ (Traktat über das Bohnenschälen) von Wiesław Myśliwski, einem meiner Lieblingsautoren“, sagt Wojciechowska. „Darin sagt er etwas Bedeutendes über die Fotografie und die Artefakte, die von ihr übrig bleiben. Er schreibt, dass man Gesichter‚ die in ‚kurzen Blitzlichtern verinnerlicht werden‘, nie vergisst. Das ist die Kraft der Bilder, die wir in der Erinnerung tragen. Allein die Fotografie vermag es, durch das Betätigen des Auslösers diesen Augenblick festzuhalten. In meiner Serie ist das Blitzlicht ein Werkzeug, um Einzelne aus der Masse herauszulösen und ihr Abbild zu bewahren.“

„‚Short Flashes‘ sind richtige Porträts; sie sind echter als gestellte Fotografien.“

„Echte Porträts sind gleichbedeutend mit der Wahrheit. Die Wahrheit liegt in natürlichen Bewegungen und Gesten. Sie zeigt sich, wenn der Körper durch äußere Umstände getrieben und der Gesichtsausdruck frei von Gedanken ist – dann, wenn scheinbare Abwesenheit entsteht.“ Schließlich ist auch die Farbe von Bedeutung, denn, so die Fotografin: „In ‚Short Flashes‘ scheinen die nassen Regenjacken in der Bewegung zu erstarren. Ihre Farbtöne und ihre Schattierungen erinnern mich an die Gemälde alter Meister.“

Rückblickend zeigen die Bilder einen gesellschaftlichen Umbruch, denn auch in China wird das Fahrrad vom Auto verdrängt. „Als ich ‚Short Flashes‘ fotografierte, fragte mich mein Chinesisch-Lehrer, warum ich diese armen Leute aufnehme. Nur Arme fahren Fahrrad. Da wurde mir klar, dass ich ein Projekt über eine bestimmte soziale Schicht machte. Heutzutage ist es beschämend, Fahrrad oder Roller zu fahren. Das Auto ist das Statussymbol schlechthin“, erinnert sich die Fotografin.

(Text aktualisiert 2020)

Wiktoria Wojciechowska

Wiktoria Wojciechowska wurde 1991 in Lublin, Polen, geboren. Ihr Studium absolvierte sie an der Akademie der Bildenden Künste in Warschau. Die Künstlerin arbeitet mit Fotografie, Video, Collage und Installation. Die Serie „Short Flashes“ hat sie in den letzten Jahren international ausgestellt. Sie lebt in Paris und Lublin.

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