Eric Bouvet: Elevations
Berge, Gletscher und ein unerklärlicher Nagel: Die mit einer Großformatkamera und einem an die historische Technik des 19. Jahrhunderts angelehnten Verfahren erarbeitete Serie versteht der Fotograf auch als Hommage an die Frühzeit der Fotografie. Doch im Vergleich zu historischen Aufnahmen der französischen Alpenlandschaften geht es nicht nur um die Erhabenheit der Berge, sondern auch um die gegenwärtigen fortschreitenden Veränderungen.
Nach Jahrzehnten als ein auf der ganzen Welt arbeitender Bildjournalist begann Bouvet vor über zehn Jahren mit Großbildkameras zu arbeiten, um sich, wie er sagt, „neu zu erfinden“: „Ich habe mich der Großformatkamera zugewandt, die durch die Schwere des Materials und eine gewisse Form von Archaismus mehr Reflexion bei der Arbeit, von der Vorbereitung bis zur Aufnahme, mit sich bringt. Das Großformat fordert mich heraus, das Tempo zu verlangsamen und die Einschränkungen zu bewältigen.“ Auch für die in den französischen Alpen entstandene Serie, der er sich seit fünf Jahren widmet, hat er diese Technik eingesetzt und arbeitete mit verschiedenen 8×10-Inch-Kameras, heute mit einer Linhof Technika 4×5 Inch. Da er immer allein und auf bis zu 3000 Meter Höhe unterwegs ist, wird das Gewicht der Ausrüstung immer zur Herausforderung. Vor allem aber bedeutet die Verwendung einer Fachkamera in den Bergen für den Fotografen, „sich den Alten anzunähern, den Fotografen des 19. Jahrhunderts, die mit dieser Ausrüstung nach oben gingen“.
„Ich fotografiere nicht, ich komponiere mit dem, was man mir gibt. In den Bergen sind es die unveränderlichen Elemente, die schon immer und für immer hier sind. Ich habe mich einfach an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt positioniert. Ich warte geduldig auf die richtige Zusammenstellung der Elemente.“
Nicht nur die übrige Reiseausrüstung, mit der sich der Fotograf oft für Tage ins Gebirge aufmacht, ist heute moderner und deutlich praktischer, auch bei der Verarbeitung setzt Bouvet auf Techniken des 21. Jahrhunderts. Die in den Bergen direkt belichteten Papiere nutzt er als Negative, die er dann einscannt und bearbeitet, „um ein Ergebnis zu erzielen, das dem bei der Aufnahme Gesehenen nahekommt. Das ist für einen Fotografen, der seine Aufnahmen nie in der Postproduktion bearbeiten wollte, schon ein bisschen ein Unding“, gibt er zu, „aber hier ist es notwendig. Ich belichte und entwickle, um ein sehr weiches Ergebnis zu erzielen und so viele Informationen wie möglich im Negativ zu behalten. Die Arbeit mit Papier bleibt ein Verfahren, das oft sehr kontrastreich ist und je nach Lichteinfall ein fülliges Schwarz aufweist. Dies ist nicht immer einfach zu belichten und zu bearbeiten.“ Der gesamte Prozess ist aufwendig und nicht frei von Überraschungen, die bei Belichtung, Temperatur und Wässerung entstehen können. Dass es bei der Arbeit auch zu Überraschungen kommt, die nicht durch die schwierige Arbeit in den Bergen oder in der Dunkelkammer bestimmt sind, zeigt sich an dem ungewöhnlichsten Motiv der Serie: Mitten auf dem Mont Blanc zeigt sich der Umriss eines alten Nagels, der weder aus der Kamera stammen kann noch in einer Entwicklerschale war. Dieser Geisternagel muss also schon bei der Herstellung des Papiers eingeschrieben worden sein. Dass es sich dabei um ein klassisches Papier handelt, das überall verfügbar ist, lässt die Unwahrscheinlichkeit noch rätselhafter erscheinen. „Was für eine Ironie!“, so Bouvet. „Genau wie mein Leben als Fotograf, das von Unwahrscheinlichkeiten und Absurditäten geprägt ist.“ Bouvet wird die Serie weiter fortsetzen, und es bleibt spannend, welche zusätzlichen Überraschungen er noch einfangen wird.
Vorgeschlagen wurde Bouvets Serie von Gary Knight, der zur diesjährigen Gruppe der 60 internationalen LOBA-Nominatoren gehörte.
Eric Bouvet
wurde 1961 in Paris geboren. Er studierte Kunst und Grafik an der Pariser École Estienne. In den 1980er-Jahren arbeitete er zunächst für die französische Agentur Gamma, seit 1990 ist er freiberuflich in den Krisengebieten der ganzen Welt unterwegs. Seine Fotografien wurden vielfach ausgezeichnet, darunter mit fünf World Press Awards und zwei Visa d’Or Awards. Seit 2011 arbeitet er auch an Dokumentarprojekten, für die er Großformatkameras nutzt. Er lebt in Paris und in Saint-Jean-de-Luz im Baskenland.
Porträt © Cerise Bouvet