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Jonas Kakó: The Dying River

Jonas Kakó: The Dying River

Der Colorado River trocknet aufgrund menschlicher Eingriffe und des Klimawandels immer weiter aus. Nachdem er noch Anfang des 20. Jahrhunderts ungezügelt durch den Südwesten der USA rauschte, führten Bewässerungsprojekte, Landwirtschaft, Umleitungen sowie der Bau von Dämmen und Stauseen dazu, dass sein Wasserstand mittlerweile auf einen bedrohlichen Tiefstand abgesunken ist. Der deutsche Fotograf Jonas Kakó hat sich zum Ziel gesetzt, den gezähmten Fluss fotografisch zu erkunden.

Auf einer Strecke von mehr als 2300 Kilometern fließt der ehemals so mächtige Colorado River von den Rocky Mountains bis zum Golf von Kalifornien. An vielen Stellen ist aus dem lauten Rauschen allerdings nur noch ein leises Plätschern geworden; während der Fluss derzeit noch Wasser für rund 40 Millionen Menschen liefert, könnte er schon in wenigen Jahren vollständig versiegen. Angesichts der dringlichen Relevanz dieses Themas hat der Fotograf Jonas Kakó umfangreiche Recherchen betrieben, bevor er sich auf den Weg in die USA machte und das Leben entlang des Flusses erkundete.

Das Projekt führte ihn über schneebedeckte Berge und durch staubtrockene Wüsten bis an die Küste und brachte ihn zu zahlreichen Gesprächen mit Imkern, Farmern, Wissenschaftlern und Indigenen. Das Bild, das sich ihm bot, ist vielerorts ähnlich: Überall in der Region traf er Leute, die alles tun, um der Austrocknung entgegenzuwirken; die Diskussion über den Wassermangel ist allgegenwärtig. Das Ausmaß der Abhängigkeiten könnte aber kaum unterschiedlicher sein: Während in schnell wachsenden Städten wie Las Vegas oder Phoenix genug Wasser aus dem umgeleiteten Fluss zur Verfügung stehen muss, um Einwohner und Touristen gleichermaßen zu versorgen, sind die Fischvorkommen für das Volk der Cucapá auf der mexikanischen Seite der Grenze beispielsweise fast vollständig verschwunden. Dies bedeutet nicht nur den Wegfall ihrer Lebensgrundlage, sondern auch den Verlust eines prägenden Teils ihrer Kultur. Es sind bewegende Einzelschicksale wie diese, die Kakós Bilderstrecke so eindringlich machen und nachdenklich stimmen.

„Das Projekt war für mich das bisher umfassendste und forderndste. Ich konnte mich auf den Reisen an den Colorado fotografisch weiterentwickeln und bin sehr glücklich, dass ich das Projekt in diesen Ausmaßen zeigen konnte.“

Ursprünglich hatte der Fotograf für das Projekt nur eine Woche eingeplant, entschied sich jedoch bald nach dem ersten Besuch in der Region dazu, zusammen mit dem „Stern“-Redakteur Raphael Geiger ein zweites Mal zum Fluss zu reisen. So webte der Fotograf nach und nach ein vielschichtiges Projekt zusammen, bei dem sich Relikte der Vergangenheit, Prognosen für die Zukunft und Menschen aus dem Hier und Jetzt wie ein großes Puzzle zusammenfügen. Am Ende steht ein eindrucksvolles, aufschlussreiches und manchmal bedrückendes Porträt einer majestätischen Gegend, die vergebens auf Niederschläge wartet.

Obwohl das Thema auf den ersten Blick düster erscheinen mag, gibt Kakó die Hoffnung für den Colorado noch nicht auf. Im Interview erzählt er, dass es durchaus Möglichkeiten und Bestrebungen gebe, den Fluss zu retten – beispielsweise durch die Entwicklung von Wasseraufbereitungsanlagen. Gleichzeitig wird intensiv an neuen Methoden geforscht, um das verbleibende Wasser effizienter zu nutzen. Der Fotograf betont jedoch, dass das Problem nicht nur wie eine lokale Dürre behandelt werden sollte, sondern ganz klar eine Folge der globalen Klimakrise sei. Daher müssen Lösungen für diese und zahlreiche ähnliche Problematiken auf der Welt auch global angegangen werden.

Die Geschichte des Colorados ist also noch nicht zu Ende erzählt. Mit seinem fotografischen Werk trägt Jonas Kakó allerdings schon jetzt dazu bei, das Bewusstsein für die Bedeutung und den Schutz des Colorado Rivers zu schärfen und liefert ein beeindruckendes visuelles Beispiel für den gegenwärtigen Umgang mit der weltweiten Klimakrise.

Vorgeschlagen wurde Kakós Serie von Gilles Steinmann, der zur diesjährigen Gruppe der 60 internationalen LOBA-Nominatoren gehörte.

Jonas Kakó

geboren 1992, studiert Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover. In seinen fotografischen Arbeiten befasst er sich bereits seit einigen Jahren mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf Mensch und Natur. Seine Geschichten erschienen u. a. in „National Geographic“, „Stern“ und „de Volkskrant“. 2023 wurde er mit dem World Press Photo Award in der Kategorie Singles North and Central America ausgezeichnet.

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Porträt: © Jonas Kakó