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Floris Bergkamp – Greenpeace-Aktion gegen die Verklappung von Atommüll, 1980

Floris Bergkamp – Greenpeace-Aktion gegen die Verklappung von Atommüll, 1980

1980 wurde der Leica Oskar Barnack Award in Amsterdam erstmals als Sonderpreis im Rahmen des internationalen Wettbewerbs World Press Photo vergeben. Die Jury entschied sich für die atemraubenden Schwarzweiß-Motive, die der niederländische Fotograf Floris Bergkamp unter Lebensgefahr während einer Greenpeace-Aktion aufgenommen hatte.

David gegen Goliath: An einem stürmischen Juliabend des Jahres 1979 stellt sich mitten auf dem Atlantischen Ozean eine Gruppe kleiner Schlauchboote einem mächtigen Frachter entgegen. Die Greenpeace-Aktivisten sind von dem Mutterschiff der Umweltorganisation, der Rainbow Warrior, gestartet, um die Besatzung des britischen Frachtschiffs Gem daran zu hindern, weiterhin radioaktive Rückstände einfach im Meer zu verklappen. Mit bis zu 50 Stundenkilometern jagen die Schlauchboote über das Wasser. Lebensgefährliche Wendemanöver bringen das kleine Boot immer wieder direkt unter die Abwurfklappe. Dabei birgt nicht nur der starke Seegang Risiken, denn die Besatzung der Gem bedenkt die Männer in den Schlauchbooten nicht nur mit Hohn und Häme, sondern attackiert sie auch mit einem harten Wasserwerferstrahl. Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, das sich gegen die damals übliche Praxis der radioaktiven Müllentsorgung richtete.

In einem der Schlauchboote sitzt der damals 30-jährige Floris Bergkamp und dokumentiert aus nächster Nähe die gefährliche Aktion. Ganz lapidar sollte er seine Mission kommentieren: „Mir wurde angeboten, die Umweltschützer auf ihrer Fahrt zu begleiten, also fuhr ich mit.“ Mit welchem Risiko er zu rechnen hatte, wurde ihm erst während der Fahrt bewusst. Später, im Schlauchboot hatte er dann aber gar nicht mehr die Zeit, darüber nachzudenken: Er fotografierte einhändig, während die andere Hand krampfhaft versuchte, den nötigen Halt zu finden, um nicht über Bord zu gehen. Seine Kamera konnte er nur mühsam vor dem überschlagenden Meerwasser schützen, Filme oder gar Objektive zu wechseln war eine echte Herausforderung. Doch sein wichtigstes Ziel stand fest: Keinen Augenblick der mutigen Aktion zu verpassen, denn ihm war klar, dass er Dinge dokumentierte, die sonst der Weltöffentlichkeit verborgen geblieben wären.

„Die Fotos, die ich gemacht habe, zeigen genau das, was dort passierte. Und wäre einem der Jungs, die einen solch unerhörten Einsatz leisteten und ihr Leben riskierten, eines der Fässer auf den Kopf gefallen, so hätte es davon ein Bild gegeben, das für alle Zeit und für jeden sichtbar dokumentierte, was dort geschehen war.“

Seit den späten 1940er-Jahren hatten die Industriestaaten unbekümmert Nuklearabfälle aus der Atomwaffenproduktion oder dem Kraftwerksbetrieb im Meer deponiert. Zwar war 1975 die Londoner Konvention in Kraft getreten, ein Abkommen, das die meisten Atomindustrie-Staaten unterzeichnet hatten und das die konkrete Bedrohung des Ökosystems Meer durch Atommüll anerkannte, doch es gab einen Haken: Die Atomlobby hatte durchgesetzt, dass sogenannter „schwach strahlender Abfall“ nicht von den Vereinbarungen betroffen war. Und niemand konnte wirklich die „Harmlosigkeit“ der weiterhin verklappten Fässer überprüfen. Greenpeace dokumentierte bereits 1978 die Aktivitäten der jährlich auslaufenden Gem, ohne direkt vor Ort zu intervenieren. Erst im folgenden Jahr wurde durch den Einsatz der Schlauchboote die Aktion auf dem Meer deutlich dramatischer und medienwirksamer inszeniert. Als Beweismittel und zur medialen Verbreitung waren diesmal nicht nur ein britisches Kamerateam, sondern auch der niederländische Fotograf Bergkamp dabei. So entstanden authentische Dokumentationen von Augenzeugen. Die von Greenpeace initiierte Protestwelle gegen die Verklappung von Atommüll sollte Wirkung zeigen. Die weltweit einsetzende Sensibilisierung für die verheerende Verschmutzung der Weltmeere trug maßgeblich dazu bei, dass schließlich 1993 ein vollständiges Verbot der maritimen Entsorgung von Nuklearabfällen beschlossen wurde.

Die Jury von 1980 setzte mit der Vergabe des LOBA für diese Serie ein überzeugendes Zeichen, lautete doch das wesentliche Ausschreibungskriterium des Preises, „die Beziehung von Mensch und Umwelt in einer geschlossenen Bildserie auf besondere Weise darzustellen“. Damals war die Auszeichnung nicht nur für den Fotografen eine hohe Anerkennung, sondern konnte auch das Anliegen der Umwelt-Aktivisten weiterverbreiten. Abgeschlossen ist das Thema jedoch keineswegs: weder gab es eine Dokumentation der Art und des Strahlungsgrads der versenkten Fässer, noch ist klar, welche Schäden die längst maroden Fässer im Ökosystem des Meeres bis heute anrichten.

(Text verfasst 2020)

Floris Bergkamp

Floris Bergkamp 1948 in Amsterdam geboren, studierte Bergkamp zunächst Werkzeugbaukunde, entdeckte dann jedoch die Fotografie für sich und besuchte die Nederlandse Fotovakschool. Als Bildjournalist stand für ihn der menschliche Aspekt seiner Arbeit stets im Mittelpunkt. Seit 1971 arbeitete er in Alkmaar als freier Fotograf, insbesondere für die „Nieuwe Revu“ und darüber hinaus für weitere nationale und internationale Magazine. 1985 wurde er leitender Bildredakteur der „Nieuwe Revu“. Er war Mitglied der Pressebildagenturen RBP Press und Hollandse Hoogte. Vor Jahren hat er sich aus der Bildjournalismus zurückgezogen.