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Sebastião Salgado – Inferno in Kuwait, 1992

Sebastião Salgado – Inferno in Kuwait, 1992

Vor fast 30 Jahren brannte in Kuwait die Wüste: Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein hatten im Februar 1991 im Zweiten Golfkrieg vor ihrem Rückzug die kuwaitischen Ölfelder in Brand gesteckt. Sebastião Salgado reiste an den Ort der Katastrophe und dokumentierte das gespenstische Inferno. Für seine zuerst im „New York Times Magazine“ veröffentlichten Aufnahmen erhielt der brasilianische Fotograf im folgenden Jahr zum zweiten Mal den Leica Oskar Barnack Award.

Sie stehen da wie in Bronze gegossene Statuen. Zwei Männer neben einem Bohrturm, starr und unbeweglich, ihre Kleidung und Körper sind von Öl getränkt, das von ihren Schutzhelmen tropft wie Schweiß. Im Hintergrund brennt loderndes Feuer, der Qualm verdunkelt den Himmel und gleichsam die Aussicht auf Licht und Hoffnung. Ein apokalyptisches Szenario, ein Inferno, festgehalten von Sebastião Salgado 1991, in jenem Jahr, in dem irakische Truppen auf ihrem Rückzug aus Kuwait die Ölfelder des Landes in Brand setzten. Verzweifelt versuchten in diesen Tagen Löschtrupps den winzigen Golfstaat vor einer wirtschaftlichen, ökologischen und menschlichen Katastrophe zu retten und nahmen den Kampf gegen die Flammen auf. „Für mich sind diese Männer die wahren Helden des Kriegs“, sagt der brasilianische Fotograf. „Von Kopf bis Fuß mit Öl verschmiert, bewegten sie sich wie Gespenster durch dieses Elend. Das Dröhnen der Flammen zwang sie, sich gegenseitig ins Ohr zu schreien, um sich zu verständigen. Ich bin vom Engagement der Feuerwehrleute heute noch genauso beeindruckt wie ein Vierteljahrhundert zuvor.“

„Ich habe in 40 Tagen genau 200 Filmrollen belichtet, ich habe viele Bilder verloren, weil es sehr heiß war, wenn ich den Feuern zu nahe kam. Das löste manchmal ein Feuer in meiner Kamera aus, sodass alle Bilder zerstört wurden. Aber was mich beeindruckte, war dieses apokalyptische Licht.“

Damals standen in der Gluthitze der Wüste fast tausend Ölquellen in Flammen. Dicke schwarze Sand- und Rußwolken trugen die Luftverschmutzung bis nach Ostafrika, vierzig Millionen Tonnen Rohöl verbrannten. Das Schwarze Gold, eigentlich ein Ausdruck von Reichtum und Macht, wurde zum Symbol der Hölle. Verheerte Landschaften, verkohlte Kamelkadaver, flugunfähige Vögel, unaufhörlich aus zerstörten Pipelines sprudelndes Öl und gegen die Brände kämpfende Arbeiter: Salgados monochrome Aufnahmen geben die ganze Unbarmherzigkeit der Szenen wieder, die er beobachtete. Wie klein der Mensch doch ist im Vergleich zu einem Bohrturm! Er scheint auf den Bildern wie Don Quijote einen Kampf gegen Windmühlen zu führen, einen Kampf gegen Natur und Industrie, einen hoffnungslosen Kampf. Bedrückend und beeindruckend zugleich wirken die Fotografien auf den Betrachter wie in Stein gemeißelte Dokumente von Kraft, Zerstörung und Ausweglosigkeit. 

Die Serie „Inferno in Kuwait“ erschien 1991 zunächst im „New York Times Magazine“ unter der Überschrift „The Eye of the Photojournalist“, anschließend wurde sie von zahlreichen europäischen Publikationen veröffentlicht. Im folgenden Jahr erhielt Salgado dafür zum zweiten Mal den Leica Oskar Barnack Award. 2016 erschienen die Arbeiten in einem Bildband. Zur Veröffentlichung von „Kuwait. A Desert on Fire“ konstatierte Salgado: „Bei aller Brutalität dieses Kampfes müssen wir uns stets vergegenwärtigen, dass sich eine weitere derartige Apokalypse jederzeit wiederholen kann.“ Und so sind und bleiben seine Bilder aus der Hölle von Kuwait noch immer aktuell.

(Text verfasst 2020)

„In meinem ganzen langen Leben habe ich nie wieder ein solches Licht gefunden – es war eine danteske Nacht.“

Sebastião Salgado

Sebastião Salgado wurde 1944 in Brasilien geboren. Er zählt zu den bekanntesten und renommiertesten Fotografen der Welt. Sein Werk ist mehrfach ausgezeichnet worden, u. a. zweimal mit dem LOBA (1985 und 1992), mit dem Hasselblad Foundation Award und dem Dr.-Erich-Salomon-Preis. 2019 wurde Salgado als erster Fotograf mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Zusammen mit seiner Frau Lélia engagiert er sich für internationale Umwelt- und medizinische Hilfsorganisationen. Er lebt in Paris und in Brasilien.

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