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Leica Oskar Barnack Award 2010: Jens Olof Lasthein „Waiting for the future - pictures from Abkhazia“

Jens Olof Lasthein – Waiting for the Future – Pictures from Abkhazia, 2010

Die Republik Abchasien im Süden des Kaukasus ist nach Zeiten von Unruhen und Bürgerkriegen zwar unabhängig, gehört jedoch völkerrechtlich zu Georgien. Eine politisch schwierige Situation, die sich auch in den alltäglichen Lebensbedingungen widerspiegelt. Diese Unsicherheit nahm der schwedische Fotograf zum Ausgangspunkt für seine Serie, die 2010 mit dem Leica Oskar Barnack Award ausgezeichnet wurde.

Früher war die subtropische Region an der Nordküste des Schwarzen Meers beliebt bei Touristen aus der ganzen Sowjetunion, jeden Sommer fielen Tausende Menschen ein und bevölkerten die Strände. Früher, das war, bevor es im Südkaukasus wiederholt zu Unruhen und bewaffneten Konflikten mit Georgien kam. Das hat Spuren hinterlassen.

In Abchasien herrschte Stillstand, als der Fotograf das Land porträtierte: „Ich war neugierig auf ein Land, das kurz vorher offiziell nicht existierte ... Wie macht man Zukunftspläne, wenn die Zukunft so ungewiss ist?“ Lasthein beobachtete den Alltag in Abchasien, der zwar von Trostlosigkeit und Verzweiflung geprägt war, aber auch unbeschwerte Momente kannte, die an eine vergangene Zeit erinnern: badende Mädchen an einem makellosen Sommertag, ein Liebespaar am Strand, eine junge Frau, die sich für eine Hochzeit herausgeputzt hat. Lasthein fing einige dieser sorglosen Augenblicke ein. Für seine Serie nutzte er Widelux- und Horizon-Kameras, analoge Panoramakameras mit Schwenkobjektiven.

„Die Serie aus Abchasien war der Ausgangspunkt für sechs Jahre Arbeit im Kaukasus, aus der das Buch ‚Meanwhile Across the Mountain‘ hervorging. Wie bei meinen früheren Büchern ist das Leben im Grenzland ein beherrschendes Thema, und wenn es jemals eine Region mit komplizierten Grenzlandfragen gab, dann der Kaukasus.“

In Abchasien sehnten die Menschen sich nach Normalität – wie überall auf der Welt. Der Fotograf glaubt, dass das Thema seiner Serie universell ist: „Die Erfahrung, dass man aus der Bahn geworfen wird, ist vielen von uns vertraut.“ Vielleicht hatten die Menschen in Abchasien ganz einfach gelernt, mehr im Hier und Jetzt zu leben, nicht an Morgen und darüber hinaus zu denken. „Statt bestimmte Fakten mit meinen Bildern auszudrücken, ist es mir viel wichtiger, einen visuellen Einblick in das Leben mit all seinen Schattierungen zu geben. So komplex und vielschichtig wie möglich, damit meine Fotos ihre eigenen, weitläufigen und abwechslungsreichen Geschichten erzählen“, so Lasthein. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man daher überraschende Details und die Schönheit im Hässlichen.

(Text überarbeitet 2020)

„Die Auszeichnung mit dem LOBA war eine wichtige Anerkennung. Es hat mir viel bedeutet, Vertrauen in das, was ich tue, zu erhalten.“

Jens Olof Lasthein

Jens Olof Lasthein wurde 1964 in Schweden geboren und wuchs in Dänemark auf. Er studierte an der Nordischen Fotoschule in Stockholm. Seit 1992 arbeitet er als freischaffender Fotograf. Er präsentierte Solo-Ausstellungen auf der ganzen Welt und hat mittlerweile vier Bücher veröffentlicht: „Moments in Between“ über die Balkankriege in den 90ern, die Dokumentation „White Sea Black Sea“ über die Grenzstaaten zwischen Ost- und Westeuropa und „Home Among Black Hills“ mit Bildern von Charleroi in Belgien. Sein viertes Buch „Meanwhile Across the Mountain“ mit Bildern aus dem Kaukasus, denen er 2010 den LOBA verdankte, erschien 2017.

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