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Enayat Asadi: „Rising From the Ashes of War“

Finalist 2019: Enayat Asadi

Der Iran ist ein wichtiges Aufnahme- und Transitland für afghanische Migranten, die aus ihrer Heimat fliehen. Eine der tödlichsten Routen verläuft an der Ostgrenze des Iran, dort sind die Migranten Plünderungen, Entführungen, Menschenhandel und Vergewaltigungen ausgesetzt. Enayat Asadi ist es gelungen, ihr Schicksal zu dokumentieren.

„Als ich das Gebiet der Menschenschmuggler, durch das sie afghanische Flüchtlinge über die Grenze in den östlichen Iran schleusen, zum ersten Mal betrat, schlug mir eine Stimmung von Trauer, Stress und Angst entgegen. Obwohl ich fast so aussah wie die Einheimischen, wusste ich nichts über die Gegend, weder wie die Leute mich behandeln, noch zu welchen Zeiten die Polizei und Sicherheitskräfte im Grenzgebiet sein würden. Ich kam an einen Palmenhain, wo ich auf zwei Männer in einem Schuppen traf, einen Pakistani und einen Balutschen. Sie sahen mich erstaunt an, weil ich nicht in ihrem lokalen Dialekt sprach. Ich erzählte ihnen eine Stunde lang von mir und meinem Vorhaben, die gefährliche Flucht der Afghanen zu dokumentieren. Dann erschien ein dritter Mann, dessen strenge Blicke auf die Stimmung drückten. Auch zu ihm war ich ehrlich, was meine Pläne betraf. Er schwieg nur dazu. Monate später erzählten mir die Männer, dass sie mich zu diesem Zeitpunkt noch umbringen wollten, da sie befürchteten, ich sei ein Spitzel. Plötzlich stand das Telefon des unfreundlichen Mannes nicht mehr still. Er sprach mit bestimmt 50 Kontaktpersonen. Anscheinend war er der Anführer.“

„Erst nachdem ich drei Tage dort verbracht hatte, machte ich die erste Aufnahme eines Flüchtlings.“

„Es wurde immer dunkler und gleichzeitig kamen immer mehr Menschen dazu. Gegen 22.00 Uhr aßen die Männer zu Abend. Dabei stellten sie mir viele Fragen. Um Mitternacht entstand plötzlich ein aufgeregtes Treiben. Eine halbe Stunde später trafen die ersten Pick-up-Trucks mit Flüchtlingen ein. Etwa 150 Menschen. Der Anblick war schockierend: Alle hatten Durst und bettelten um Wasser, das ihnen zum Zehnfachen des Preises verkauft wurde. Die Schmuggler zwangen sie mit Gewalt zur Ruhe. Die Atmosphäre war sehr merkwürdig. Ich blickte in viele geschockte junge Gesichter. All das geschah in absoluter Dunkelheit. Nur eine kleine Taschenlampe ging ab und zu an, um die Flüchtlinge zu identifizieren. Schläge, Drohungen und Flüche hallten durch die Nacht. Dann kamen die Autos und alles ging ganz schnell. Gegen 4.00 Uhr morgens waren alle wieder verschwunden. In dieser Nacht durfte ich nicht fotografieren. Erst nachdem ich drei Tage dort verbracht hatte, machte ich die erste Aufnahme eines Flüchtlings.“

Enayat Asadi

1981 im Iran geboren, begann Asadi 2009 sich selbst das Fotografieren beizubringen. Bereits 2011 dokumentierte er den Krieg in Afghanistan. Dabei konzentrierte er sich besonders auf die sozialen Probleme, Menschenrechtsverletzungen, Armut, Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Das brachte ihn auch dazu, sich mit afghanischen Flüchtlingen und dem Problem illegaler Einwanderung zu beschäftigen. Asadi hat sich mit seinem bereits mehrfach ausgezeichneten Langzeitprojekt „Rising from the Ashes of War“ beim Leica Oskar Barnack Award beteiligt.

Porträt: © Hamed Barchian