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Mustafa Hassona: „Palestinian rights of return protests“

Finalist 2019: Mustafa Hassona

Es ist eine Auseinandersetzung, von der bisher niemand weiß, wie man sie lösen könnte: die kriegsähnlichen Spannungen zwischen der arabischen und der israelischen Bevölkerung in Palästina. Biblisches Land – und der moderne Konflikt erscheint kaum weniger archaisch als die im Buch der Bücher geschilderte endlose Folge von Scharmützeln, Krieg und anderen Scheußlichkeiten in der Bronze- und Eisenzeit.

„Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt“ – und dabei scheint es keinen Unterschied zu machen, ob es sich um verbriefte oder bloß gefühlte Rechte oder um eine Mischung aus beidem handelt; gehe es nun um die Auseinandersetzung über die Länge des Arbeitstags (auf die sich das Zitat von Karl Marx bezieht), um die Spannungen wegen der Halbinsel Krim zwischen der Ukraine und Russland oder – wovon hier die Rede ist – um den seit über 70 Jahren andauernden Konflikt zwischen der arabischen und der israelischen Bevölkerung in Palästina, von dem man den Eindruck hat, er werde je länger er andauert, umso härter, unerbittlicher und unversöhnlicher geführt. Für den 30. März 2018, den „Tag des Bodens“, wurde im Gazastreifen zum „Marsch der Rückkehr“ mobilisiert, mehr als 30.000 Demonstranten sollen sich am Grenzzaun versammelt haben, teils friedlich, teils militant. Die israelischen Sicherheitskräfte antworteten mit Tränengas und Gummigeschossen; auf Personen, die über den Zaun klettern wollten, wurde scharf geschossen. Nach arabischen Angaben gab es mindestens 15 Tote. Seither wird im Gazastreifen an jedem Montag für das Recht auf Rückkehr demonstriert.

„Die Arbeit für Fotojournalisten im Gazastreifen ist nicht einfach, wir berichten über Zusammenstöße und Krieg ohne internationalen Schutz für Journalisten.“

In seiner Serie „Palestinian Rights of Return Protests“ hat Mustafa Hassona diese in der Regel von Gewalt begleiteten Demonstrationen auf der arabischen Seite des Grenzzauns dokumentiert. Am 22. Oktober 2018 gelang ihm eine Aufnahme, die ihn und seine Serie schlagartig berühmt machte, als sie in den sozialen Netzwerken und der Presse weltweit viral ging. Sie zeigt den 20-jährigen Aed Abu Ambro, der mit bloßem Oberkörper in der rechten Hand die Flagge der Palästinensischen Autonomiegebiete schwenkt und in der linken eine Steinschleuder. Viele Betrachter erinnerte die Aufnahme an das berühmte Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix, das er 1830 als Allegorie auf die französische Julirevolution im selben Jahr schuf. Aber die Symbolkraft der Aufnahme reicht weiter, bis in in die Zeit des biblischen König-David-Mythos. Als er noch ein Hirtenjunge war, hatte David mit einer Steinschleuder den Riesen Goliath getötet, einen Heerführer der Philister, die seinerzeit auch das Gebiet des heutigen Gazastreifens besiedelten: der arabische David gegen den israelischen Goliath – doch zu was dieser symbolische Rollentausch am Ende führt, das zu erfahren, bedürfte es eines Propheten.

Mustafa Hassona

Hassona, 1981 in Gaza (Stadt) geboren, absolvierte einen Medienstudiengang und war anschließend in einer Bildredaktion tätig. Als Fotograf ist er Autodidakt. Er hat für mehrere Nachrichtenagenturen gearbeitet und ist heute für die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu im Gazastreifen tätig. Die Serie „Palestinian Rights of Return Protests“ wurde bereits mit einem dritten Platz im Profi-Wettbewerb der Sony World Photography Awards ausgezeichnet und gewann in der Kategorie „Visual Storytelling“ bei den Lensculture Awards 2019.

Porträt: © Mohammed Al-Zanoun