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Fabiola Ferrero – The Blue Side of Fire

Fabiola Ferrero – The Blue Side of Fire

In ihrer Serie „The Blue Side of Fire“ untersucht die venezolanische Fotografin den fortschreitenden Niedergang ihres einst wohlhabenden Heimatlandes auf indirekte Weise. Der Krise setzt sie die Schönheit und den Zauber des Landes sowie stille, poetische Momente aus dem Alltag entgegen.

Einst galt Venezuela als das reichste Land Lateinamerikas, verfügt es doch über die größten nachgewiesenen Ölreserven weltweit. Allerdings rutschte das Land mit dem rapiden Verfall des Ölpreises im letzten Jahrzehnt immer weiter in eine Wirtschaftskrise, die große Teile der Bevölkerung in die Armut stürzte. Die sich verschärfenden machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem autoritär regierenden Präsidenten und der Opposition tragen zur weiteren Instabilität des Landes bei. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wurden die Landschaften Venezuelas und die Schönheit seiner Natur für die Fotografin immer wichtiger: „Können wir vor der Feindseligkeit ein wenig Zuflucht in der Natur finden?“ war eine ihrer Ausgangsfragen für das Projekt „The Blue Side of Fire“.

„Obwohl das tägliche Leben auf dem Lande in Venezuela desolat und von der Krise geprägt ist, ist der Zauber dieser Landschaften und ihrer Bewohner doch geblieben. Dort erfüllt mich die Schönheit des Meers, der Berge und der Menschen, die vom Land leben, mit Erinnerungen an das Land, das ich liebe, während gleichzeitig unbestreitbar ein Rückschritt zu verzeichnen ist.“

Begonnen als Flucht aus der krisengeschüttelten Metropole, entwickelte sich die Serie zu einer Wiederentdeckung der Natur und dem Land ihrer Kindheit: „Auf der Suche nach einem Ausweg aus der chaotischen Stadtlandschaft von Caracas wanderte mein Geist durch die Erinnerungen an die Natur, in der ich den größten Teil meiner Kindheit verbracht hatte. Dann begann ich, durch das Land zu reisen, auf der Suche nach dem Venezuela dieser Erinnerungen. Ich fand es, mitten in der Einsamkeit, und kämpfte darum, im allgemeinen Verfall zu überleben“, so Ferrera. Die Fotografie wurde zum wichtigen Instrument, eine innere Balance und eine ausgleichende Sicht auf das Land zu finden. „Am Anfang sah ich das nicht als eine bewusste Suche nach Bildern, sondern nur als eine Möglichkeit, der Hauptstadt, die so sehr von Feindseligkeit erfüllt ist, zu entkommen und in die Natur zu flüchten. Irgendwann begannen auch diese Landschaften die Narben der Krise zu zeigen, und das Fotografieren war meine Art, mit meiner Umgebung zu interagieren“, beschreibt die Fotografin den Entwicklungsprozess ihrer Serie, in der sie auch ihre persönlichen Erlebnisse aufgreift: „Als ich zum Beispiel das letzte Mal mein Strandhaus besuchte, konnte ich nicht einmal im Haus schlafen, weil es vollständig von Wespen besetzt war. Ich musste draußen eine Hängematte anbringen, Feuer machen und die Nacht unter freiem Himmel verbringen. Die meisten meiner Kindheitserinnerungen spielen dort und jetzt herrscht dort die gleiche Schwere, die ich in Venezuela immer wieder spüre. Doch sobald ich an den Strand gehe, ist alles wieder da. Es ist eher eine spirituelle, sinnliche Erfahrung. Es ist ein ständiger Kontrast.“

Ihre Serie ist für die Fotografin „Bestandteil eines viel größeren Projekts darüber, wie sich Venezuela durch die Krise und Migration verändert: die Einsamkeit, die Stille, die Verlassenheit. Diese Arbeit konzentriert sich darauf, wie die Erinnerungen an meine Kindheit mit dem heutigen Venezuela kontrastieren: an den Orten, die ich vor Jahren zu besuchen pflegte, und an Orten, die ich als repräsentativ für das verlorene Paradies empfinde, das mein Land jetzt ist.“

Fabiola Ferrero

Fabiola Ferrero, 1991 in Caracas geboren, arbeitet seit ihrem Studium als Fotografin und Journalistin und entwickelt langfristige Projekte über Südamerika; sie ist unter anderem für die „New York Times“, „Le Monde“ und Bloomberg tätig. Auszeichnungen und Teilnahme an zahlreichen internationalen Förderprogrammen.

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Porträt: © Fabiola Ferrero