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Matthew Abbott – Black Summer

Matthew Abbott – Black Summer

Von Juni 2019 bis zum März 2020 wüteten in Australien verheerende Buschfeuer. Nach einem Crashkurs bei der Feuerwehr in Sydney begab sich Matthew Abbott immer wieder direkt in die Brandgebiete. Nicht um immer neue Bilder der Feuerwalze festzuhalten, sondern um Folgen der Katastrophe zu zeigen. Seine Motive erzählen von Panik, Stoizismus und Tragik.

Die vergangene Buschfeuersaison wird in die Geschichte Australiens eingehen. Noch während die Brände wüteten, erhielt sie ihren plakativen Namen: Black Summer. So heißt auch Abbotts Serie. Der schwarze Sommer hinterließ verkohlte Tiere mit schmerzverzerrter Mimik, Autos, die aussehen wie Kadaver mit bleiernen Tränen, totenstille verkohlte Wälder und Swimmingpools, die nun grotesk deplatziert wirken. Der Fotograf Matthew Abbott hat all das aus nächster Nähe auf eine Art fotografiert, dass einem der Atem stockt. Die Hitze scheint auf der Haut spürbar zu sein, Rauch und Qualm wirken fast schmerzhaft real. Seine Serie ist vom tiefen Mitgefühl für alle Oper der Katastrophe getragen. In den bis zu 100 Meter hohen Flammen starben 34 Menschen. Es verbrannten schätzungsweise 186.000 Quadratkilometer Land, knapp 6000 Gebäude und nahezu drei Milliarden Tiere, auch aus Arten, die bereits vorher vom Aussterben bedroht waren. Die unfassbare Luftverschmutzung hat bis heute mehr Opfer gefordert als die Feuer selbst, die Zahl der Lungenerkrankungen und die Langzeitschäden sind noch nicht abschätzbar, die Statistiken noch nicht abgeschlossen. 

„Ich möchte, dass die Menschen die Verwüstung durch diese Ereignisse sehen, um die Menschen und ihre Politiker zu ermutigen, jetzt zu handeln, solange noch Zeit bleibt.“

Nachdem Abbott ein mehrwöchiges Training bei der Feuerwehr absolviert hatte, begab er sich mit seinen Kameras in die Feuerhölle. „Als Fotojournalist bin ich nicht nur daran interessiert, Feuer zu dokumentieren. Ich bin daran interessiert, die Auswirkungen auf die Menschen, die Auswirkungen auf die Umwelt, die Auswirkungen und Folgen dieser Brände zu dokumentieren. Es geht um die Auswirkungen auf das Leben.“ Er weiß jetzt, dass über einem Brandherd meistens fünf bis sechs Helikopter kreisen, dass eine Ladung Löschwasser umgerechnet etwa 28.000 Euro kostet. Er fotografierte herabfallende Wasserladungen aus nächster Nähe und wie Anwohner mit ihrem Gartenschlauch verzweifelt gegen das Feuer kämpfen, wie sich ein sterbendes Brumby-Wildpferd durch den verkohlten Wald schleppt. Sein Foto eines Kängurus vor einer Feuerwalze ging sofort viral. Dieses ikonische Motiv hat das Potenzial, sich im kollektiven Gedächtnis zum Thema Buschfeuer zu verankern.

„Es ist das erste Mal, dass durchschnittliche Australier vom Klimawandel betroffen sind“, erklärt Abbott. Australier waren bisher für ihre Lässigkeit und Optimismus bekannt. Die Nation erhielt durch die Feuer einen Dämpfer. Und unmittelbar darauf folgte Covid-19. „Nach Monaten der verheerenden Buschfeuerkrise hatten Angst und Trauma Einzug gehalten“, so Abbott: „Die Menschen stellten sich die Frage: ,Ist das die neue Normalität?ʻ Da die globalen Temperaturen weiter ansteigen und Australien sich stärker als die meisten anderen Länder erwärmt, ist das Land sowohl für das Geschehen verantwortlich – als großer Kohleexporteur, der sich weigert, die Emissionen radikal zu reduzieren – als auch als Opfer der Untätigkeit der Welt. Die neue Normalität der Welt ist eine Ära des immerwährenden und sich verstärkenden Feuers. Australien ist der Ort, an dem alles beginnt.“

Matthew Abbott

Matthew Abbott wurde 1984 in Sydney, Australien, geboren. Er studierte Internationalen Fotojournalismus an der Danish School of Journalism in Kopenhagen und hat einen Master of Arts von der Universität Sydney. Er fotografiert und schreibt regelmäßig für die „New York Times“ und wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Mit „Black Summer“ belegte er den zweiten Platz in der Spot-Nachrichtenkategorie World Press Photo 2020. Er wird international von Panos Pictures in London vertreten und ist derzeit Mitglied des australischen Kollektivs Oculi.

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Porträt: © Anna-Lena Abbott