010203040506070809010011012
Terje Abusdal: „Slash & Burn”

Terje Abusdal – Slash & Burn, 2017

Zwischen Tradition und Mystik, Herkunft und Zugehörigkeit, Fakt und Fiktion: In der mit dem LOBA 2017 ausgezeichneten Serie „Slash & Burn“ gelingt Terje Abusdal eine so geheimnisvolle wie eindrückliche Annäherung an die Waldfinnen, eine naturverbundene Volksgruppe in Norwegen.

Im Südosten Norwegens, an der Grenze zu Schweden, liegt eine dünn besiedelte Moränenlandschaft mit viel Wald, „Finnskogen“, Wald der Finnen, genannt. Er heißt so, weil sich dort zwischen Ende des 16. und Mitte des 17. Jahrhunderts Finnen angesiedelt haben. Aus Savo in Zentralfinnland kommend, schufen sie sich durch Brandrodung in den Nadelwäldern neue Nutzflächen für den Anbau von Roggen. Heute arbeiten die meisten Waldfinnen als Holzfäller, Förster und Bauern. Ihre originäre Kultur und Sprache sind weitgehend ausgestorben, nur wenige Traditionen und Erinnerungen an schamanische Bräuche haben sich erhalten.

„Ich fügte der Geschichte bestimmte Elemente aus der Vergangenheit der Waldfinnen – Feuer, Rauch, Schamanismus – hinzu.“

Terje Abusdal begann „Slash & Burn“ als Abschlussarbeit an der Danish School of Journalism – die sich zum Langzeitprojekt entwickelte. Während seiner dreijährigen Recherche tauchte der Fotograf immer tiefer in die Traditionen der Waldfinnen – in Norwegen inzwischen eine staatlich anerkannte Minderheit – ein. „Ausgehend von einem dokumentarischen Ansatz, schlug ich bald eine mehr konzeptionelle Richtung ein. Ich begann, einige Aufnahmen zu inszenieren, oder sie auch real zu bearbeiten. Es handelt sich um eine Mischung aus Realität und Fiktion.“

„Je mehr ich über die Waldfinnen erfuhr, desto klarer wurde mir, dass ich die Vergangenheit wiederbeleben musste, um ihre Geschichte zu erzählen.“

„Aber wie kann man etwas Immaterielles wie Kultur fotografieren, vor allem, wenn sie fast ausgestorben ist?“, so Abusdal. Ausgehend von dieser Frage, verwischte er die Grenze zwischen Realität und Fiktion mehr und mehr. Den Titel seiner Serie setzte er auch technisch in der Postproduktion um, indem er einige Abzüge mit einer Fackel bearbeitete: „Damit wollte ich die Waldfinnen und ihre Technik der Brandrodung buchstäblich in die Bilder einbrennen.“ So verweben sich Dokumentation und Imagination in seinen Aufnahmen auf irritierende und zugleich organische Art und Weise. „Wenn man in Serien arbeitet, hat man viel Spielraum. Man kann Bilder zu einer Geschichte zusammenfassen und so eine ganz neue Welt, eine bestimmte Stimmung oder ein bestimmtes Gefühl erschaffen. Es ist ein bisschen wie im Kino“, erläutert Abusdal. Eine suggestive Kraft, eine besondere Mystik geht von den Bildern aus – das Ergebnis eines „vorsätzlichen Versuchs, ein fiktionales Universum zu erschaffen, eine magische Welt“.

Zudem wollte Abusdal Fragen nach Identität, Migration und Zugehörigkeit nachgehen. In welcher Generation verliert man den Status des Zugewanderten? Wann gehört man zu einem Land, zu einer Volksgruppe? Und entscheidet die Biologie, die Philosophie oder die eigene Geschichte darüber? „Bei den Waldfinnen“, sagt Terje Abusdal, „ist das Kriterium – unabhängig von deinem ethnischen Ursprung – eindeutig: Man spürt es einfach.“

(Text aktualisiert 2020)

Terje Abusdal

1978 im norwegischen Evje geboren, arbeitet ausschließlich an freien Projekten – stets angesiedelt auf dem schmalen Grat zwischen Wahrheit und Fiktion. 2014 studierte er in Aarhus Advanced Visual Storytelling und besuchte anschließend mehrere Meisterklassen. 2015 veröffentlichte er mit „Radius 500 Metres“ im Journal Forlag sein erstes Fotobuch. 2018 erschien „Slash & Burn“ im Kehrer Verlag, 2019 folgte „Hope Blinds Reason“, wieder bei Journal. In seinen Arbeiten, die in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen sind, widmet er sich vor allem der Frage nach Identität und Zugehörigkeit. Abusdal lebt in Oslo.

Foto: © Marie Sjøvold

Zur Website