010203040506070809010011012
Rafael Heygster: „I Died 22 Times“

Finalist 2019: Rafael Heygster

Nicht nur auf den Schlachtfeldern findet Krieg statt, er beginnt bereits in den Köpfen. Bei manchen hat sich eine Faszination für bewaffnete Auseinandersetzungen entwickelt, die sich in kriegsähnlichen Spielen wie Airsoft manifestiert. Auf Waffenmessen hingegen herrscht bitterer Ernst, es geht um Politik und Geschäfte. Rafael Heygster eröffnet einen Zugang zu verschlossenen Abgründen.

„Über einen Teilnehmer an einer Studienfahrt nach Auschwitz bin ich mit der Airsoft-Community in Kontakt gekommen. Um eine Verbindung von diesem für sich genommen ‚harmlosen‘ Spiel zu ‚echtem‘ Krieg zu fotografieren, habe ich eine Waffenmesse besucht, auf der sowohl Airsoft-Waffenrepliken als auch reale Kriegswaffen im Angebot waren. Später habe ich dann größere Rüstungsmessen ohne Spielzeugwaffen besucht. Die Serie ‚I Died 22 Times‘ ist das erste Kapitel meines Langzeitprojekts ‚No Lives Lost‘, in dem ich der Fragestellung nachgehe ‚Wo fängt Krieg an?‘.“

„Krieg zeigt sich nicht nur auf Schlachtfeldern, sondern taucht in abstrakterer Form in unserer Gesellschaft auf.“

„Die Arbeit vermischt die Aspekte ‚Krieg als Geschäft‘ sowie ‚Krieg als Spiel‘ und zeigt Motive aus unterschiedlichen Szenarien. So werden Bilder von Waffenmessen mit Motiven von Airsoft-Geländespielen kombiniert. Diese beiden Phänomene sind in ihrer Anmutung ähnlich, in ihrer Tragweite jedoch sehr unterschiedlich. Die Gemeinsamkeit: Niemand stirbt. Krieg wird als etwas Unterhaltsames und gleichzeitig Harmloses inszeniert – und dadurch als konsumierbares Ereignis erlebt.

Beim Airsoft-Spiel kassiert man als Fotograf versehentlich auch mal einen Treffer. Ich habe meine Treffer gezählt und fand es passend, im Titel darauf aufmerksam zu machen, dass man in diesem Spiel virtuell beliebig oft sterben kann. Auch auf Rüstungsmessen und bei Live-Demonstrationen verliert niemand sein Leben. Der Titel ‚No Lives Lost‘ spielt also auf denselben Sachverhalt an. Er ist der Titelseite der Zeitung ‚The Daily World‘ entnommen, die 1912 unter der Überschrift ‚Titanic sinking, no lives lost‘ über den Untergang der Titanic berichtete.“

Rafael Heygster

1990 in Bremen geboren. Heygster belegte zunächst einige Semester Kulturanthropologie und Politikwissenschaften an der Universität Hamburg, um danach Fotojournalismus an der Hochschule Hannover zu studieren. 2017 absolvierte er ein Praktikum bei der Bremer Tageszeitung „Weser-Kurier“ und assistierte bei Kiên Hoang Lê und Alina Emrich. Seither ist er freiberuflich tätig. 2019 war er Gewinner des Neuen BFF Förderpreises.

Porträt: © Vivian Rutsch