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Léonard Pongo – Primordial Earth

Léonard Pongo – Primordial Earth

Symbolistisch, suggestiv und voll imaginärer Kraft: In Léonard Pongos intuitivem Langzeitprojekt werden die Themen Entstehung, Apokalypse und ewige Wiederkehr zu einer Allegorie über die Geschichte der Menschheit und des Planeten – mit der Natur der Demokratischen Republik Kongo als Ausgangspunkt.

Seit fünf Jahren arbeitet er an dem Projekt in der Demokratischen Republik Kongo. Jenem Land, das grausame Jahrzehnte lang belgische Kolonie war, das ausgebeutet wurde und das seit seiner Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 nicht zur Ruhe gekommen ist. Das von Diktaturen geprägt ist und von Bürgerkriegen. Politisch befindet sich die DR Kongo in einer Dauerkrise, flankiert von zarten Hoffnungsschimmern. Die DR Kongo ist aber auch ein Land voller Traditionen und das Land mit den zweitgrößten zusammenhängenden Regenwäldern der Welt. Für Léonard Pongo ist „Primordial Earth“ vor allem ein persönliches Projekt: „Ich habe mich lange gefragt, wie ich ein Projekt über die Landschaft des Kongo und die Traditionen, Erzählungen und Symbole, mit denen ich aufgewachsen bin, gestalten könnte“, erzählt er. „2017 kam mir der Gedanke, dass meine Faszination für die zentrale Rolle des Kongo in der Weltgeschichte der Ausgangspunkt für ein Projekt sein könnte, das das Land als ‚Ur‘-Quelle des Bewusstseins und des Lebens darstellt, eine Art Ursprung, aber auch eine Art ultimatives Beispiel für Leben und Tod auf dem Planeten, das Alpha und Omega des gesamten Planeten.“ Er begann, Bilder zu schaffen, die intuitiven Arrangements folgen. Seine Aufnahmen zeigen surreal anmutende Landschaften, den Zauber der Natur, ihre Mystik, aber auch ihre Undurchdringlichkeit. Aufgenommen hat Pongo sie mit verschiedenen Techniken, die das Licht außerhalb des für Menschen wahrnehmbaren Spektrums sichtbar machen. Auf diese Weise sind wie vom Zufall gesteuerte Fotografien entstanden – in Fehlfarben und voll magisch-mystischer Kraft.

„Die Hauptfigur ist die Landschaft selbst.“

Auf Pongos Aufnahmen sind kaum Menschen zu sehen. „Ich wollte den Menschen als eine Figur aus zweiter Hand zeigen, der, obwohl er sich selbst als Mittelpunkt wahrnimmt und zu unglaublichen Schäden fähig ist, nicht im Zentrum der Geschichte steht“, so der Fotograf. Absichtlich gibt Pongo den Bildern keine Titel, verweigert eine eindeutige Zuordnung: „Der Prozess des Benennens und Klassifizierens ist weit entfernt von dem Ergebnis, das ich mir von diesen Bildern erhoffe, und ich bin sehr froh, ja sogar neugierig, den Bildern eine gewisse Undurchsichtigkeit zu belassen und eine Auswahl an visuellen Zeichen, Formen und Gestalten zu bieten, die eine Art imaginäre, alternative Welt darstellen.“

Für Pongo sind Wahrheit und Fotografie zwei verschiedenen Dinge. Mit seinen Bildern möchte er eine physische oder emotionale Reaktion hervorzurufen, keine bestimmte Wahrheit über die abgebildete Umgebung „einfangen“. Und, „wenn man“, so führt er aus, „diese Einschränkungen akzeptiert, kann man eine ganz andere Welt betreten oder erschaffen. Das führte dazu, dass ich mich von der Fotografie entfernte und das Projekt zu einer Installation mit Skulpturen, Textilien, Webarbeiten und Bewegtbildern wurde.“ Die gezeigten Aufnahmen geben nur einen kleinen Bruchteil von Pongos Langzeitprojekt wieder, genau so, wie alles Gezeigte nur ein Fragment und Fotografie nie die ganze Wahrheit ist.

Léonard Pongo

Léonard Pongo wurde 1988 in Lüttich geboren und wuchs in Belgien auf. Seine Arbeiten, überwiegend Langzeitprojekte, werden international ausgestellt. „Primordial Earth“ war auf der Lubumbashi Biennale und bei den Rencontres de Bamako zu sehen, wo die Serie mit dem Prix de l’OIF ausgezeichnet wurde, sowie 2021 im Brussels Centre for Fine Arts im Rahmen seiner ersten Einzelausstellung in Belgien. Pongo unterrichtet Dokumentarfotografie an der Kinshasa Academy of Fine Arts (ABA) und an der LUCA School of Arts in Brüssel.

Porträt: © Léonard Pongo

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