0102030405060708
Guy Tillim: „Photographs”

Was macht eigentlich … Guy Tillim

Bis zum 1. April konnten sich Fotografen für den Leica Oskar Barnack Award 2019 bewerben – eine Auszeichnung, die dem Fotografen Guy Tillim sehr geholfen hat. Mit seiner Serie „Johannesburg Story“ konnte er den Preis 2005 gewinnen. Dabei handelt es sich um eine Reportage über den Wandel der Stadt von einer urbanen Enklave der weißen Minderheit zu einer „afrikanischen Stadt“, wie es der Fotograf formuliert. Und auch in seiner jüngsten Serie richtet er sein Augenmerk intensiv auf Stadtlandschaften. Zu sehen ist die Arbeit bis zum 2. Juni 2019 in der Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris.

Rückblickend: Was hat der Leica Oskar Barnack Award 2005 für Sie bedeutet?
Der Preis war eine weltweit anerkannte Auszeichnung, die ich in einer heiklen Phase meines Lebens erhalten habe. Nachdem ich zwei Jahrzehnte wie im Schatten gearbeitet hatte, hat mir der Preis geholfen, mein Selbstvertrauen zu finden und meine finanzielle Situation zu revolutionieren. Das war tatsächlich sehr willkommen!

Welchen Rat würden Sie jungen Fotografen geben?
Eigentlich das Übliche: Finde deine Leidenschaft und folge ihr. Wenn es nötig ist, höre auf zu essen, damit du Rechnungen bezahlen kannst.

Was braucht eine Geschichte, um im Kopf zu bleiben?
Mehrdeutigkeit, Besessenheit von einem Thema und ein Konzept, das über Worte hinausgeht.

In der Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris ist derzeit Ihre Serie „Museum of the Revolution“ zu sehen. Worum geht es darin?
Diese Bilder sind auf langen Spaziergängen durch die afrikanischen Städte Johannesburg, Durban, Maputo, Beira, Harare, Nairobi, Kampala, Addis Abeba, Luanda, Libreville, Accra, Abidjan, Dakar und Daressalam in den Jahren 2014 bis 2018 entstanden. Es handelt sich um Street Photography: ein Versuch, ein Fenster in diese Welt zu öffnen.

Warum sind einige Bilder als Diptychon oder Triptychon zu sehen?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ein einzelnes Bild der Landschaft Gewalt antut. Ich habe experimentiert und hatte Freude dabei, mir eine fortlaufende Szenerie vorzustellen.

Ein Buch, das im Mack Verlag erscheint, begleitet die Ausstellung. Hatten Sie beim Fotografieren immer das Buch im Kopf?
Nein, als ich vor fünf Jahren in Johannesburg begonnen hatte, diese Serie zu fotografieren, hatte noch keine Idee, wohin mich das bringen würde.

Wie vermeiden Sie die üblichen Klischees?
Das tue ich nicht, ich versuche sie zur richtigen Zeit zu nutzen. Man vermeidet kein Klischee, indem man Gegensätze wie Großartiges und Gewöhnliches nebeneinander stellt. Beides existiert für sich allein und in einer Beziehung zueinander. Wenn man hierarchische Konstruktionen in einem Bild vermeidet, ist das schon die halbe Miete, einem Klischee aus dem Weg zu gehen.

Wie beurteilen Sie selbst Ihre Arbeit als Fotograf?
Arbeit ist der Spiegel eines Lebens. In meinem Fall kein Spiegel von dem, was ich liebe, aber von Landschaften und Objekten, die mich umgeben. In einem spekulativen oder metaphysischen Sinne kommen in der Arbeit die Herausforderungen eines Lebens zum Ausdruck, das, was gesehen oder ungesehen bleibt.

Viele der Bilder sind mit der Leica SL entstanden. Was halten Sie von der Kamera?
Sie steht klassisch in der Leica Tradition, so wie ich auch mein geliebtes M-System in Erinnerung habe. Einwandfreie Funktionalität und die Bilddateien sprechen für sich.

Guy Tillim

Geboren 1962 in Johannesburg, sah Guy Tillim in der Fotografie seine Waffe im Kampf gegen die Ungerechtigkeit des Apartheid-Regimes. In den 80er-Jahren war er als Reporter tätig und schloss sich der südafrikanischen Fotografenvereinigung Afrapix an. 2005 gewann er den Leica Oskar Barnack Award. Seit einigen Jahren beschäftigt sich Tillim hauptsächlich konzeptionell mit Landschaften und Stadtansichten. Der Fotograf lebt in der Nähe von Kapstadt und wird von der Agentur VU’ vertreten.
www.agencevu.com

Credit Porträt: © Manuela de Leonardis